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Giganto-Vision für die Rhein-Main-Region

Fünf Oberbürgermeister wollen die Rhein-Main-Region zum europäischen Zentralgebiet mit Metropolen-Bewußtsein ausbauen  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) — Die sozialdemokratischen Oberbürgermeister der Städte Frankfurt, Wiesbaden, Mainz, Darmstadt und Offenbach und der Direktor des Umlandverbandes Frankfurt (UVF) sind sich einig: Um im Konkurrenzkampf mit anderen Regionen wie London, Paris oder Mailand — und im nationalen Wettbewerb mit der zukünftigen Kapitale Berlin — bestehen zu können, müsse im prosperierenden Rhein- Main-Gebiet endlich regionales Bewußtsein entwickelt werden. „World-City Rhein-Main“ nannte der Offenbacher OB Wolfgang Reuter seine Vision von der Zukunftsregion, denn im Zuge des europäischen Einigungsprozesses würden die Nationalstaaten zunehmend an Bedeutung verlieren und die ökonomisch potenten Ballungszentren zu den eigentlichen Schaltzentralen des Kontinents avancieren.

Im Rahmen einer Pressekonferenz auf dem Rhein-Main-Flughafen, der für den Frankfurter OB Andreas von Schoeler die „zentrale Wachstumslokomotive“ der Region ist, legten die fünf Verwaltungschefs der größten Städte des Gebietes gestern eine sogenannte Rhein-Main- Erklärung vor, eine Art Präambel zu einem großen (Ent-)Wurf, dessen Konturen sich erst in den Köpfen einiger Städteplaner abzeichnen. Die Rhein-Main-Erklärung, so die Oberbürgermeister, soll die „Initialzündung“ sein für die geforderte Kooperation der Städte, der Landkreise und der drei betroffenen Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern bei der Gestaltung der „Future World“ im Herzen Europas. Und die fünf Oberbürgermeister bilden dabei — zusammen mit dem Regionalverbund UVF — ein „demokratisches Frühstückskartell“, wie das der Wiesbadener Oberbürgermeister Achim Exner verschmitzt anmerkte. Ein Arbeitsausschuß mit den Referenten der OBs und einem Vertreter des UVF wird die Gestaltungsarbeit am Modell „Rhein-Main-City“ aufnehmen. Diverse Unterausschüsse sollen sich mit Koordinationsproblemen wie etwa der Führung der ICE- Trasse oder der Zukunft des riesigen Ex-Caltex-Geländes beschäftigen.

Ob mit dem „Frühstückskartell“ der Bürgermeister die bislang praktizierte regionale „Kirchturmpolitik“ in den Rathäusern Vergangenheit werden wird, wagten die planungswilligen Sozialdemokraten nicht zu prognostizieren. Sie setzten auf den Dialog mit den betroffenen Bürgermeistern und Landräten, denn die regionale Zukunft lasse sich nur gemeinsam gestalten: „Der Entwicklungsvorsprung der Rhein-Main-Region gegenüber vielen anderen europäischen Regionen läßt sich nur halten, wenn alle Gebietskörperschaften an der Sicherung der Lebensqualität aktiv mitwirken.“ Daß es auf dem Weg zur Metropole Rhein-Main zu Zielkonflikten kommen wird, wissen auch die Oberbürgermeister. Die „zentrale Wachstumslokomotive“ Flughafen soll ausgebaut werden, neue Gewerbegebiete und vor allem Wohngebiete sollen entstehen — und unverbaute Landschaftsteile in der Region erhalten bleiben, weil sie für die Lebensqualität sorgen. Daher strebt das „Frühstückskartell parallel zur ökonomischen Vorwärtsentwicklung eine Vernetzung aller Grün- und Freiflächen der Region an.

Neue Gewerbegebiete der einzelnen Kommunen seien in Zukunft gemeinsam zu konzipieren. Und im Konfliktfall, so Achim Exner, müsse einem Abweichler klargemacht werden, daß er sich mit seiner isolierten Planung „eine Beule holen wird, denn das Konzept Rhein-Main sei auch auf Länderebene (Hessen/ Rheinland-Pfalz) unumstritten.

Die Initiatoren der Rhein-Main- Erklärung stellen auch fest, daß die Region durch eine „polyzentrische Struktur“ geprägt sei, die erhalten werden müsse: „Jede Stadt, jede Gemeinde, jeder Landkreis besitzt seine individuellen und unverwechselbaren Eigenheiten und sichert damit die Vielfalt des Gesamtraums.“ Die Oberbürgermeister begrüßten auch den hohen Anteil ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger in der Rhein-Main-Region, denn diese Internationalität zeichne einen europäischen Wirtschaftsraum erst aus — und das solle „bitteschön“ so bleiben.

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