Schranken hoch für Giftiges und Krebserregendes

■ Schweden und Norwegen sollen künftig den Import von gefährlichen EG-Produkten erlauben

Gegner reden von der „größten Systemveränderung in Schweden seit der Reformation“ (so der Grünen-Parlamentarier Per Parthon). Gemeint ist die Anpassung der recht strengen Umweltpolitik an EG-Normen, wenn das Land dem Europäischen Wirtschaftsram (EWR) beitritt. Zwar müssen Stockholm und das ähnlich betroffene Oslo ihre eigenen Vorschriften nicht sogleich revidieren. Aber: Sie sind gezwungen, den „freien Warenhandel“ nach EG-Normen zuzulassen. Im Klartext: Die Grenzen müssen auch für Produkte geöffnet werden, die in Schweden oder Norwegen als umwelt- oder gesundheitsschädlich verboten, in der EG aber erlaubt sind.

Und da geht es nicht nur um ein paar „Grenzfälle“. Beispiel Norwegen: Von 193 Stoffen, die hier als krebserregend die rote Karte erhielten, müssen jetzt 140 ins Land gelassen werden. Ähnlich bei als „giftig“ deklarierten Produkten: 242 von 592 werden künftig als EG-Waren im norwegischen Handel auftauchen können. Die Palette reicht von Spielsachen über Lebensmittel und Konservierungsmittel bis zu Kosmetika. Selbst Elektroartikel und Maschinen aller Art sind betroffen — dort nämlich, wo die bislang geltenden Bestimmungen über präventive Sicherheitskontrollen von Brüssel als „Handelshemmnisse“ gewertet würden. So brauchen in der EG, anders als in Schweden, die Hersteller von Autokatalysatoren nicht zu garantieren, daß ihr Produkt auch während der durchschnittlichen Lebensdauer des Fahrzeugs wirksam bleibt. Überhaupt ist in der EG die in Schweden übliche weitreichende Verantwortung der Produzenten für ihre Erzeugnisse unbekannt.

Schon im Vorgriff auf EWR und EG hatte Schwedens Regierung in den letzten Monaten eine Reihe geplanter Umweltgesetze in der Versenkung verschwinden lassen: Dieselöl sollte eigentlich statt 0,2 Prozent Schwefel (EG-Norm) nur noch 0,05 Prozent enthalten dürfen, der Anteil von krebserregenden Stoffen im Benzin sollte auf das niedrigere US-Niveau gesenkt werden. In der Schublande gelandet sind auch die geplanten Abgaben für umweltbelastende Stoffe.

Tatsächlich hat ein EFTA-Land, das neue Umweltbestimmungen einführen will, künftig nur noch geringe Chancen. Wird dabei nämlich das EWR-Abkommen „berührt“ (im Zweifelsfall läßt sich das immer behaupten), dann genügt der Einspruch eines einziges Partnerlandes, um das Vorhaben zu Fall zu bringen. „Ohne große öffentliche Diskussion und an den parlamentarischen Gremien vorbei“, so bringt es Anders Wijkman, Vorsitzender der schwedischen Naturschutzvereinigung, auf den Punkt, „lassen wir die weitere Entwicklung unseres Gesellschaftssystems in weiten Bereichen einfach blockieren. Der EWR ist für die Umweltpolitik ein größerer Rückschlag, als es eine EG-Mitgliedschaft sein könnte. Denn dann hätten wir wenigstens ein Mitbestimmungsrecht in den Gremien.“ Knackiger drückt es der Grünen-Abgeordnete Per Garthon aus: „Wir legen uns platt. Nur, um ganz schnell reinzukommen in die EG.“ Reinhard Wolff, Stockholm