Abdrehen, ausknipsen

■ Erfurter Bürgerradio F.R.E.I. gewaltsam abgeschaltet

Erfurt. Bittere Assoziationen, die die Beteiligten des Erfurter lokalen Bürgerradios F.R.E.I. hatten, als während einer Sendung über Kultur und Geschichte der Juden in der vergangen Woche die Studiotür aufging und Beamte der Bundespost/Telekom und der Polizei den Abbruch der Übertragung erzwangen und die gesamte Technik beschlagnahmen wollten.

Es fand gerade eine Gesprächsrunde zu den Tagen der Jüdischen Kultur statt, an der als Gäste der jüdische Schriftsteller Pawel, Vorsitzender des VS Thüringen, der Chefdramaturg des Erfurter Schauspielhauses, Fischer, und weitere Gäste teilnahmen. Man könnte es eine versuchte Razzia oder ebensogut Hausfriedensbruch nennen, denn die Herren konnten weder einen Durchsuchungsbefehl noch ein sonstiges Schriftstück vorweisen, das sie dafür ermächtigt hätte. Nach Abbruch der Sendung kamen Hörer und Sympathisanten zum Übertragungsort, den sie von bewaffneten Zivilisten umstellt fanden.

Die friedliche Kundgebung sowie Diskussionen veranlaßte das Aufgebot von Rechtshütern dann doch zum Abzug. Dessen ungeachtet steht die Kriminalisierung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und -verbreitung (Artikel 10 der europäischen Menschenrechtskonvention EMRK) im Raum. Weder dem Verein F.R.E.I.e.V., der sich um die Legalisierung des Bürgerradios einsetzt, noch dem Betreiber waren zuvor schriftliche Aufforderungen der Bundespost oder der Polizei zugegegangen, die das Betreiben ihres Senders betrafen.

In einer Presseerklärung erinnert der Verein daran, daß seit September 1990 alle rechtlichen Schritte zur Erlangung einer Lizenz für das Bürgerradio eingeleitet worden sind. maz