: Was ist pervers?
■ Kleine Witzchen der Schließer
Ich bin etws verwirrt und hätte gerne gewußt, was pervers ist? Da ich hinter schwedischen Gardinen in der Psychologischen Versuchsanstalt JVA Tegel inhaftiert bin und wir durch eine Gegensprechanlage zur Arbeit geweckt werden, hörte ich heute den mich verwirrenden Spruch: „Guten Morgen, es scheint die Sonne, es zwitschern die Vögel — da gehen wir fröhlich zur Arbeit!“ Hierauf drückte ich auf die Anlage und sagte: „Das nenne ich pervers!“ Wenig später ging ich zu einem mitleidenden Bekannten, dieser sagte mir nun — er wäre auch auf die Fahne gegangen und meinte: „Die Beamten gehen fröhlich zur Arbeit!“
Kurze Zeit später tauchte ein Beamter bei uns auf, der sich erkundigte, was ich pervers finde? Auf die Worte meines Bekannten: „Die Beamten gehen fröhlich zur Arbeit“, winkte er mit verzogener Miene ab, aber als ich ihm sagte — daß wir hier ja im Knast sind meinte er nur, er sei auch im Knast.
Nun sagte ich: Es ist nur der kleine Unterschied, daß wir Inhaftierte für ein Päckchen Tabak am Tag arbeiten müssen und für uns die Sonne ja nicht scheint. Weiterhin, wenn wir von der Arbeit kommen, haben die Beamten vor lauter Psychoterror unsere Zellen durchwühlt, Sachen entwendet und ruiniert. Oder sie spielen auf den Wachturm und lauern, mit ihren Schnellfeuergewehren, die sie auch auf die Zellen richten.
Was ist nun pervers? M.S., JVA Tegel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen