GASTKOMMENTAR
: Insel des Wohlstands

■ Auch Portugal und Spanien treten dem Schengen-Abkommen bei

Der Beitritt Spaniens und Portugals zum Schengener Abkommen wirft einmal mehr die Frage nach der Rolle auf, die die europäische Gemeinschaft zukünftig in der Welt spielen will. Er wirft allerdings auch die Frage nach ihrer inneren Verfassung auf; die Frage nach dem Grad der Verwirklichung von Bürgerrechten, den sie bereit ist, den innerhalb ihrer Grenzen lebenden Menschen zuzugestehen. Seien es nun EG-BürgerInnen oder Menschen aus den sogenannten Drittländern, die nicht Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft sind.

Es steht zu befürchten, daß die Gemeinschaft sich mehr und mehr als eine Insel des Wohlstands in einem Meer von Armut begreift. Eine Insel, die glaubt, mit allen Mitteln die Zuwanderung aus den ausgepowerten Ökonomien Afrikas oder Osteuropas verhindern zu müssen. Es steht gleichfalls zu befürchten, daß die EG sich weigern wird, eine Außen- und Außenwirtschaftspolitik zu entwickeln, die nicht Zuflucht nimmt zu Militär und Gewalt, sondern sich einsetzt für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung, die den Ländern des Südens genügend Raum läßt und Hilfe gewährt, um sich aus der Armutsfalle zu befreien. Der Wind des Wandels hat auch Afrika erfaßt. Die EG sollte dem Kontinent nicht die Türe vor der Nase zuschlagen. Nicht die Grenzen Westeuropas sollten dichtgemacht werden, sondern in den Herkunftsländern der Flüchtlinge die Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben geschaffen werden. Niemand verläßt gern seine Heimat.

Das Schengener Abkommen dient aber nicht nur dazu, um die Zuwanderung — auch aus dem Osten — zu stoppen. Es dient mit seinen Bestimmungen über die Zusammenarbeit der Polizeien und des unkontrollierten, grenzüberschreitenden Datenaustauschs der Befriedigung der Bedürfnisse von Bürokratien, die mit der Herstellung sogenannter innerer Sicherheit befaßt sind. Es soll zum Modell für die innere Verfaßtheit der EG selbst fortentwickelt werden. Diese beiden Entwicklungswege machen deutlich, daß die deutsche Debatte um ein Einwanderungsgesetz völlig an den Problemstellungen vorbeigeht, mit denen wir es in Europa zu tun haben. Wenn Schengen Modell für die weitere Entwicklung der Gemeinschaft ist, dann geht es darum, ob Demokratie in der EG ausgehöhlt wird oder noch eine Zukunft hat. Ob ein eigensüchtiges Europa sich seine eigene Armee ausbaut oder zu einem friedlichen wird, das seinen Verstand und seine Kreativität einsetzt, damit Menschenwürde nicht länger eine Frage des Geldes bleibt. Dieter Weiser

Der Autor ist Mitarbeiter von Claudia Roth, MdEP der Grünen