: Ein Mäuseschwanz steckt im Vollkornbrot
■ Ein Blick in den hessischen Lebensmittelbericht
Wiesbaden (taz) — Es sei primäre Aufgabe der Lebensmittelüberwachung, den Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschäden und Irreführungen zu gewährleisten — und deshalb, so die neue hessische Ministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, Iris Blaul (die Grünen), würden die von der CDU/ FDP-Vorgängerregierung unter Verschluß gehaltenen Lebensmittelberichte ab sofort wieder uneingeschränkt veröffentlicht. Aus dem gestern vorgestellten Bericht 1990 geht hervor, daß die Kontrolleure und Amtstierärzte insgesamt 368.000 Kilogramm Lebensmittel sichergestellt und untersucht haben — und bei der Analyse zu haarsträubenden Erkenntnissen kamen: Oberflächenfäulnis, beginnende Zersetzung, Schimmelpilzbefall, Lagerbrand, Schmutzrückstände und Frostbrand bei Fleisch und Geflügel. Wegen Ranzigkeit, Verunreinigungen, überhöhtem Histamingehalt, Nematoden und Bombagen wurden 6.600 Kilogramm Fisch und Meeresgetier aus dem Verkehr gezogen. Und selbst 12.000 Liter Apfelwein und 78.800 Liter Mineralwasser mußten in den Gulli gekippt werden, weil die Getränke mit coliformen Bakterien verseucht waren. Insgesamt lag die Beanstandungsquote bei den untersuchten Lebensmitteln bei 17,1 Prozent, beim „Spitzenreiter“ Käse gar bei 30,8 Prozent. Bei Käse rügten die Lebensmittelprüfer vor allem die falsche Kennzeichnung der Produkte. So bestehe etwa Schafskäse vielfach gänzlich oder teilweise aus Kuhmilch — glatter Betrug.
Knallhartes wurde auch in Getreide, Brot und Backwaren entdeckt. Das Spektrum der Funde reicht vom Teil eines Kunststoffschwamms über einen 5,5 Zentimeter langen Nagel bis hin zu Kugelschreiberminen, einem Mäuseschwanz und Reißzwecken. „Akuten Handlungsbedarf“ konstatierte die Ministerin auch bei Blattspinat und Kopfsalat. Die hohen Nitratwerte erfordern eine „unverzügliche und verbindliche Festlegung von Grenzwerten für Nitrat im Gemüse“ durch den Bundesgesundheitsminister. Klaus-Peter Klingelschmitt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen