PORTRAIT
: Ein kalter Krieger hat ausgedient

■ Vernon Walters, US-Botschafter in Bonn, tritt ab/ „Alle großen Dinge müssen enden“

Berlin (taz) — Wenn er frei spräche, könne es schon einmal vorkommen, daß er mehr sage, als er dürfe, hat Vernon Walters einmal Journalisten in vertrauter Runde gestanden. Deshalb ließ sich der heute 74jährige Botschafter der USA in Bonn von seinem Pressesprecher nach jeder Journalistenfrage eine Karteikarte mit der offiziellen Sprachregelung reichen.

Nur den Souffleur des State Department zu spielen, ist sicher eine erniedrigende Rolle für einen Mann, dessen Karriere vor allem davon gekennzeichnet war, daß er das Offizielle gekonnt mied, wann immer dies nötig wurde. In der ersten Amtszeit Ronald Reagans reiste Walters als Geheimbotschafter des Präsidenten durch mehr als hundert Länder.

Ob sein am Montag angekündigter Rücktritt der Tatsache geschuldet ist, daß Walters die Rolle des deutsch- amerikanischen Zeremonienmeisters zu anspruchslos erschien, wird in der Erklärung der US-Botschaft nicht deutlich. „Alle großen Dinge müssen einmal enden“, heißt es im Pressetext; Vernon Walters habe die Ehre gehabt, Präsident Bush mehr als zwei Jahre als sein Repräsentant in Deutschland dienen zu dürfen. „Es war eine Zeit historischer Veränderungen, und die Stärke der Bindungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten hat sich während dieser Zeit immer wieder erwiesen“, erklärte Walters. Er hatte noch einige Wochen nach der Maueröffnung prophezeiht, daß fünf Jahre bis zur Wiedervereinigung Deutschlands vergehen würden — eine Einschätzung, die ihm einen Anpfiff von US-Außenminister Baker einbrachte. Natürlich läßt sich noch eine andere These über Walters' Rücktrittsgründe aufstellen: Kalte Krieger wie Walters haben in der Neuen Weltordnung ausgedient — Walters könnte natürlich sagen, er habe sich überflüssig gemacht, nun, da der Kommunismus sowjetischer Prägung auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet ist. Wenn einmal die Geschichte seiner Totengräber geschrieben wird, muß Vernon Walters ein längeres Kapitel gewidmet werden: Seit den fünfziger Jahren hatte er seine Finger in zahlreichen Putschen, Umstürzen und Geheimdienstaktionen, denen nationalistische oder linksgerichtete Regierungen zum Opfer fielen. Seine Karriere hatte nach dem Zweiten Weltkrieg in Paris begonnen, wo er bei der Umsetzung des Marshallplans assistierte. Präsident Eisenhower begleitete der sprachkundige Walters bereits auf sämtlichen Auslandsreisen, mit dessen Vize Richard Nixon freundete er sich an. 1953 half Walters, den Putsch gegen den Nationalisten Mossadegh im Iran herbeizuführen, Anfang der sechziger Jahre blockierte er in Rom die Bemühungen der Kennedy-Administration, Kontakte zur italienischen Linken zu knüpfen. 1964, als US-Militärattaché in Brasilien, wußte er vorab Bescheid, als sein persönlicher Freund General Humberto Castelo Branco die Regierung stürzte und eine langjährige Militärdiktatur etablierte. Die lateinamerikanischen Militärs, so Walters in seiner Autobiographie Silent Missions, seien eine „stabilisierende Kraft und ein Bollwerk gegen die Ambitionen der Kommunisten“. Stefan Schaaf