Carmina burschicana

■ Bizets Oper „Carmen“, neu aufgelegt von den Bremer Stadtschmusetanten

Ja schau, so eine Gaudi gibt die alte herzerweichende Folklore- Oper noch her, wenn zwölf geeignete Mannsbilder dreinfahren: die sogenannten „Bremer Stadtschmusetanten“, verdienter Schwulenchor allhier. Im Theater am Leibnizplatz gluckste und gickste den ganzen Dienstagabend lang vor Vergnügen das Publikum. Es hat schon einen unverschämten Charme, wenn dahergelaufene Rotznasen in Rollen schlüpfen, die ihnen um die Beine schlottern, wenn Kindsköpfe kreuz und quer über die Bühne stiefeln in den übergroßen Schlabberschuhen der Tragödie.

Bizets „Carmen“, gegeben von lauter Männern, das hat den Extra-Reiz, daß die eh schon auf pittoresk kostümierte Oper einer weiteren Verkleidung unterzogen wird. Stellen Sie sich also zum Beispiel vor: das fabelhafte Kunstweib Carmen, gespielt von der köstlichen Haselnußgerte Jochen Sievers — und wie bieg- und wiegsam! Wo steht einem da der Kopf! Die ganze Inszenierung (Rolf Wolle) ist darum besorgt, daß das Lachen nicht vergeht. Es jagen einander die lieblichen Revue-Mätzchen und die gymnastischen Einlagen und andere lustigen Einfälle. Die Spuren der Arbeit, die drinsteckt, sind überall perfekt verwischt, bloß abgesehen vom Gesang.

Ja, die Singerei. Schlicht und ergreifend! Einerseits ordnungsgemäß tremolierte Sahne bzw. rauher, ehrlicher Gesangsverein. Andererseits hätt ich mir manchmal mehr Stimmarbeit gewünscht, damit das Stück besser flutscht. Überhaupt: Man sollte doch zwischendurch mal in Ruhe die Bühnenleute einander verführen usw. lassen. Das steigert die Komik-Ausbeute enorm. Wer sich derart das Publikum angelt, kann es nachher um so frecher kitzeln. Volle Krakeele aber und hochfrequente Gags ohn' Unterlaß machen auf die Geschichte ein bißchen platt. Aber das nur nebenbei.

Das Publikum jubelte am Ende ausdauernd. Auf Wiederholungen müssen wir leider bis zum Herbst warten. Manfred Dworschak