26 Millionen Dollar Kunst warten auf ihren Eigentümer

■ Die Ostberliner Nationalgalerie präsentierte 28 im Krieg aus Frankreich verbrachte Bilder/ Besitzer der »Kriegsbeute« werden gesucht

Berlin. Die Geschichte liest sich wie ein Krimi und ist wohl auch einer. Am Mittwoch präsentierte der Präsident der Staatlichen Sammlungen Preußischer Kulturbesitz, Werner Knopp, in der Ostberliner Nationalgalerie 28 Gemälde und Zeichnungen aus unbekanntem französischen Besitz mit einem geschätzten Marktwert von über 26 Millionen Dollar. Seit 19 Jahren lagert dieser Schatz auf der Museumsinsel, und nur eine Handvoll Wissenschaftler wußten von seiner Existenz. Die Arbeiten, darunter zwei Stifterbildnisse aus dem 16. Jahrhundert, ein Frühwerk Delacroix', ein Monet und ein Renoir, wurden den DDR- Museumsleuten 1972 von dem Magdeburger Prälaten Heinrich Solbach in einem Koffer und einem Postmietbehälter übergeben. Beide Behältnisse händigte ein ehemaliger Wehrmachtssoldat ein Jahr zuvor dem katholischen Geistlichen im Anschluß an seine Beichte aus. Doch der Prälat verriet mit Hinweis auf das Beichtgeheimnis nicht mehr, als daß die Kunstwerke dem Soldaten während des Krieges in Paris von einem deutschen Offizier mit der Bitte um Aufbewahrung bis nach dem Kriegsende mit auf den Heimweg gegeben wurden. Drei Jahre später verstarb Solbach, der die Staatlichen Museen vertraglich verpflichtete, »die Kunstschätze ordnungsgemäß zu erhalten, bis sie baldmöglichst den rechtmäßigen Besitzern in Frankreich zugestellt werden können.«

Aus dem »baldmöglichst« wurden fast zwei Jahrzehnte. Das DDR-Kulturministerium verordnete den mit dem Vorgang vertrauten Wissenschaftlern strengste Geheimhaltung und hüllte sich in Schweigen. »Die DDR-Regierung wollte die Bilder der französischen Seite offenbar als Morgengabe nach dem Abschluß der diplomatischen Beziehungen überreichen«, mutmaßt der für die Werke verantwortliche Kustos, Lothar Brauner. Doch bis 1985, dem Jahr der einzigen offiziellen »Zwischenkontrolle«, fanden offensichtlich die zugesicherten Recherchen zur Klärung der Eigentumsfrage auf diplomatischen Kanälen nicht statt. Im März 1989 schließlich teilte das »Amt für den Rechtsschutz des Vermögens der DDR« den Wissenschaftlern mit, daß gegen eine Integration der Bilder in die Sammlung der Nationalgalerie keine Bedenken mehr bestünden. Zur Aufteilung und Ausstellung der Kollektion kam es jedoch nicht.

Erst durch einen Beitrag des französischen Journals 'L‘Express‘ vom 28. Dezember 1990 erfuhr die Öffentlichkeit von der Existenz der geheimnisvollen Bilder. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Werner Knopp, verwies darauf, daß es zwar viele Vermutungen über den oder die früheren Eigentümer der Werke gebe, jedoch keine gesicherten Erkenntnisse. Man könne davon ausgehen, daß die Sammlung zwischen 1940 und 1944 von einem Wehrmachtsoffizier in Frankreich entweder aus Privatbesitz »zusammengekauft« oder unrechtmäßig erworben wurde. In einer für wenige Monate befristeten Ausstellung werden die Bilder jetzt in der Nationalgalerie auf der Museumsinsel präsentiert. Knopp beabsichtigt zwar keine formale »Rechtstitelerwerbung«, denkt aber auch nicht an eine Rückführung der — wie auch immer — von einem Besatzer illegal nach Deutschland gebrachten Kunstwerke: »Bis sich der oder die rechtmäßigen Eigentümer melden, bleiben die Bilder hier.« a.m.