Mel Gibsons Knackarsch

■ John Badhams „Auf die harte Tour“

Wen interessiert schon, was im richtigen Leben passiert. Filme sind viel interessanter, nur: realistisch müssen sie sein. Das denkt sich auch Hollywoods Top-Action-Star Nick Lang (Michael J. Fox), eine Art Indiana- Jones-Pygmäe. Da er unbedingt ein neues Image braucht, sucht er verzweifelt einen passenden Job. Doch die Hauptrolle, die er anpeilt, ist schon besetzt: „Sie wollen Mel Gibson engagieren“, weiß seine Agentin. Was Lang dazu veranlaßt, eine spöttische Bemerkung über Gibsons Knackarsch zu machen, weiß er doch genau, daß in Hollywood ein süßer Po manchmal wichtiger ist als eine gute Sprechausbildung. Abends in der Glotze sieht der Filmstar Detective John Moss (James Woods), der gerade in New York auf Psychopathenjagd ist. Von ihm will Nick Lang Realismus lernen. Also ruft sein Studio den New Yorker Bürgermeister an, der telefoniert mit Moss' Vorgesetzten, und der Detective hat ein neues Problem.

John Badhams neue Action-Komödie macht sich ziemlich erfolgreich über Stars und Filme lustig, aber vor allem über den Stellenwert, den moderne Lichtspiele im „wirklichen Leben“ nicht nur der Amerikaner einnehmen. Im Ghetto angekommen, sucht der Filmstar als erstes nach der richtigen Kameraeinstellung, der Polizeichef vergißt seinen Beruf und bettelt um ein Autogramm, und Detective Moss, der wild eine Wohnung voller junger Gangster stürmt, bekommt ein abgebrühtes „Ist doch alles schon auf Video, Mann!“ zu hören.

Der Schauspieler, der von dem Cop lernen will, merkt schnell, daß sich dieser nicht filmgerecht verhält. Denn lonesome cowboys, einsame Eisenfresser, Dirty-Harry-Einzelgänger sind längst out. Heute geben leicht verrückte Partner den Ton an im Polizeifilm. Also versucht der Filmstar dem Bullen während ihrer gemeinsamen Suche nach dem „Party-Killer“ ein neues Image zu verpassen, was natürlich nicht ohne Gags abgeht.

Um keinen zu verpassen, muß man sich diese turboschnelle Klamotte wahrscheinlich zwei- bis dreimal anschauen. Fanatische Cineasten haben es etwas leichter, denn Auf die harte Tour ist gespickt mit Filmzitaten. Wenn Michael J. Fox den Mund aufmacht, zitiert er auch schon, manchmal mehrere Filme in einem Satz: „Sie werden deinem Pferd den Kopf absägen oder dein Kaninchen kochen“ (Der Pate, Eine verhängnisvolle Affäre). Haufenweise Krimis und Thriller werden erwähnt, selbst vor Klassikern macht Badham, Gott sei Dank, nicht halt. In einer Szene wird Fox zu Travis Bickle und darf Robert De Niros berühmte Sätze aus Taxi Driver aufsagen: „Reden Sie mit mir? Sie reden mit mir? Sicher, sonst ist ja niemand da.“

Schon in seinem vorletzten Film belieh Badham für den Schluß Alfred Hitchcock. In Ein Vogel auf dem Drahtseil kommt es auf dem künstlichen Felsen eines Zoos zum dramatischen Showdown, der verdächtig an die Mount-Rushmore-Sequenz aus Der unsichtbare Dritte erinnert. In Auf die harte Tour hat er es wieder getan. Doch was bei Hitchcock noch die in Stein gehauenen Köpfe von Präsidenten waren, ist bei Badham eine riesige Reklametafel mit Michael J. Fox' Pappkopf hoch über dem Times Square. Dieser riesige Pappkamerad erlangte während der Dreharbeiten einige Berühmtheit. Sämtliche Zeitungen New Yorks und einige aus Europa und Südamerika berichteten über die Filmkulisse, und der Verkehr am Times Square kam oft zum Erliegen, da alles zu dem verrückten Ding hochstarrte. Genau wie im Kino. Karl Wegmann

John Badham: Auf die harte Tour , mit Michael J. Fox, James Woods, Penny Marshall u.a., USA 1991, 111 Min.