Katholische Karrieren

■ Hollands Premier und Außenminister wollen zu EG und Nato

Die Präsidentschaft in der EG wechselt jedes halbe Jahr. Das nächste Semester wird von Den Haag aus koordiniert. Es verspricht eine besonders wichtige Periode in der Geschichte der EG zu werden: Sozusagen als Krönung der niederländischen Präsidentschaftszeit sollen die beiden Regierungskonferenzen Ende des Jahres abgeschlossen werden, die letzten Dezember eingesetzt wurden, um aus der EG eine Wirtschafts- und Währungsunion einschließlich politischer Union zu machen. Ob es wirklich zur Unterzeichnung der Verträge kommen wird, ist jedoch noch offen. Daß ausgerechnet in dieser Phase die Holländer die Rolle der Vermittler übernehmen, ist allerdings kein gutes Omen. Schließlich vertreten sie in den beiden zentralen Fragen die extremsten Positionen. Was die Verteidigung angeht, sind sie stramme Atlantiker — schlimmer noch als die Briten. Diese vehemente US-Hörigkeit mag überraschen, doch die niederländische Außenpolitik basiert weniger auf strategischen Konzepten als auf moralischen Vorstellungen — und den persönlichen Ambitionen ihres Premierministers Lubbers und des Außenministers van den Boek. Letzterer blockierte deswegen eine Entscheidung der WEU-Außenminister, die dem Europäischen Rat, wie die EG-Regierungschefs ihre halbjährlichen Gipfeltreffen nennen, gestattet hätte, die Richtlinien der WEU-Politik vorzugeben. Selbst die Briten waren bereit, diesen Kompromiß mitzutragen. Doch van den Boek blieb stur: Der Katholik möchte angeblich Wörner als Nato- Generalsekretär beerben. Aus ähnlichen Gründen widersetzt er sich auch Plänen, dem Europäischen Rat mehr Entscheidungsbefugnisse im Bereich der Außenpolitik einzuräumen. Denn dadurch würden Lubbers Mittel in die Hand gegeben, so van den Boeks Befürchtung, in seine Außenpolitik hineinzuregieren. Schließlich hat auch der katholische Premier ehrgeizige Pläne: Er möchte Delors' Nachfolger als Präsident der EG-Kommission werden. Deshalb setzt er sich für dessen Idee einer politischen Union ein. Da er aber zur Verwirklichung seiner Ambitionen das Ja seiner Kollegen — auch des britischen Premiers — braucht, heißt es vorsichtig taktieren. Keine guten Aussichten für die politische Union, die jetzt klare Vorgaben bräuchte. Edward Mortimer

Der Autor ist Redakteur der britischen Tageszeitung 'Financial Times‘.