Südsudanesen droht der Bombentod

Hunderttausende Südsudanesen, die nach Äthiopien geflohen waren, fliehen zurück in den Sudan  ■ Von Bettina Gaus

Nairobi (taz) — 280.000 sudanesische Flüchtlinge lebten bis Ende Mai im südwestäthiopischen Lager Itang — vor einigen Tagen trafen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, die die Lage erkunden wollten, gerade noch 80 Hilfesuchende dort an. Die anderen sind dorthin zurückgeflüchtet, woher sie einige Monate oder Jahre zuvor gekommen waren: in den Südsudan, wo Bürgerkrieg, Hunger und Seuchen ihr Leben bedrohen. Der Grund für die panische Massenflucht: Kurz nach dem Sturz des Mengistu-Regimes in Addis Abeba war das Lager von der sudanesischen Lufwaffe bombardiert worden. Die Regierung in Khartum behauptete, daß Kämpfer der südsudanesischen Rebellenbewegung SPLA auch durch Hilfsgüter mitversorgt worden wären.

Auch aus den anderen Lagern im Südwesten Äthiopiens sind die weitaus meisten Flüchtlinge inzwischen über die Grenze in den Südsudan zurückgewandert. Ihre genaue Zahl läßt sich derzeit kaum feststellen. Bislang haben die Vereinten Nationen 120.000 Flüchtlinge aus dem Itang-Camp in der Gegend um Nasir registriert. Das Rote Kreuz schätzt, daß weitere 40.000 im Grenzort Pochalla gestrandet sind, die nichtstaatliche Organisation Across meldet 30.000 Flüchtlinge im südsudanesischen Akobo.

Zu befürchten steht, daß Tausende in Gebieten festsitzen, die derzeit von Hilfsorganisationen überhaupt nicht erreicht werden können. Zurück können die Hilfesuchenden nicht: Auch die äthiopische Widerstandsbewegung OLF (Oromo Liberation Front), die in den letzten Jahren von Khartum unterstützt worden war und inzwischen in Absprache mit den neuen Machthabern in Addis Abeba die Kontrolle der südwestäthiopischen GambelaRegion übernommen hat, soll an Angriffen auf Lager der sudanesischen Flüchtlinge beteiligt gewesen sein.

Aber auch im Südsudan droht den Hilfesuchenden der Tod. Die Menschen in der Gegend, in die sie sich vor den Bombenangriffen gerettet haben, haben selbst kaum etwas zu essen. Die Ernten der letzten Jahre waren schlecht: Der Bürgerkrieg hat die Landwirtschaft weitgehend ruiniert, Dürre und Fluten haben die ohnehin geringen Erträge weiter geschmälert. Viele der Flüchtlinge, deren Versorgung noch bis vor wenigen Wochen vergleichsweise reibungslos funktioniert hat, sind von ihrem dramatischen Marsch über die Grenze so geschwächt, daß jetzt bereits aus den neuen Camps Hungertote gemeldet werden.

Hilfe von außen jedoch kommt nur spärlich — oder gar nicht. Gestern hat das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen eine Luftbrücke vom kenianischen Lokichogio nach Nasir gestartet. Bis zu viermal täglich soll ein Flugzeug vom Typ Herkules Nahrungsmittel auf dem Camp abwerfen. Aber die Ladekapazität ist gering — 9 Tonnen pro Flug. Einen anderen Weg, die Hungernden der Region zu versorgen, gibt es nicht: Die Regenzeit hat die Straßen unpassierbar gemacht. Frühestens Ende Dezember werden sie wieder befahrbar sein. Für viele der Hungernden dürfte das zu spät sein.

USA schicken Golfkriegs-Lebensmittel
Washington (afp) — Die USA schicken Lebensmittelbestände der Armee nach Äthiopien und in den Sudan. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte am Dienstag in Washington, 400.000 Einzelportionen seien auf dem Luftweg nach Äthiopien. Ursprünglich seien diese für die Versorgung der US-Soldaten während des Golfkrieges vorgesehen gewesen. Über den Seeweg würden darüber hinaus eine Million Einzelportionen nach Äthiopien transportiert. Außerdem habe das Pentagon der UNO 100.000 Portionen zur Versorgung der notleidenden Bevölkerung im Sudan zur Verfügung gestellt. Notärzte-Komitee: 150.000 Sudanesen droht der Tod

Köln (dpa) — Der Vorsitzende der deutschen Notärzte Komitee Cap Anamur, Rupert Neudeck, forderte die Bundesregierung auf, bei der sudanesischen Regierung „mit der äußersten Schärfe gegen die brutalen Massaker an hilflosen Flüchtlingen zu protestieren“. 150.000 aus Äthiopien in ihre Heimat zurückgeflohene Sudanesen würden dort von der sudanesischen Armee bombardiert, berichtete Neudeck. Deutsche Hilfe für den Sudan solle zukünftig von der Einstellung derartiger Luftüberfälle abhängig gemacht werden.

Die Flüchtlinge haben laut Neudeck nach schweren Regenfällen weder Holz zum Kochen noch irgendetwas zum Essen. Das Komitee habe deshalb eine Million Mark zur Verfügung gestellt, um mit eigenen Medizinern nach Nasir zu fliegen und Nahrung und medizinische Versorgung zu bringen. Auch die Bundesregierung, so forderte Neudeck, sollte finanzielle Unterstützung leisten und zwei Flugzeuge zur Verfügung stellen.

Gastkommentar von Rupert Neudeck

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