Wenn der Raps entsorgt werden muß...

Geplantes Bodenschutzgesetz wird zur teuren Pflichterfüllung für Industrie und Staat/ Vertraulicher Arbeitsentwurf liegt der taz vor  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) — Die gelb-schwarzen Koalitionäre hatten sich nach der Bundestagswahl festgelegt: Das seit 1987 von den Umweltpolitikern der Länder geforderte Bodenschutzgesetz soll endlich kommen. Nach Luft und Wasser müsse auch Mutter Erde unmittelbar und umfassend von Paragraphen geschützt werden.

Inzwischen sind die Arbeiten im Töpferschen Ministerium weit vorangeschritten. Der taz liegt ein vertraulicher Arbeitsentwurf in Paragraphenform vor. Die Länderbehörden sollen künftig auch großräumig den Boden für bestimmte Nutzungen sperren und sanieren lassen können.

Dringlich wird ein solches Gesetz durch die Bodenvergiftung in den neuen Bundesländern. Dort ist die Belastung durch die Düngung mit giftigem Klärschlamm und Kraftwerksasche und die Berieselung der Felder mit ungereinigten Abwässern besonders katastrophal.

Eigentlich ist der Titel „Bodenschutzgesetz“ irreführend. Zum Hauptknackpunkt des Gesetzes wird nämlich nicht etwa der Schutz der 1.000 Kilo Regenwürmer, die jeden Hektar einigermaßen gesunden Bodens durchpflügen. Im Mittelpunkt steht vielmehr die Altlastensanierung, also die Beseitigung der Umweltsauereien vergangener Jahrzehnte. Weil Mutter Erde als unfreiwillige Deponie für jede Art von Gift und Dreck herhalten mußte, werden nun Milliardenbeträge fällig. Politisch „hoch brisant“ sei die Kostenlawine, die auf Verursacher und Landeigner zurollt, so ist hinter vorgehaltener Hand im Umweltministerium zu hören. Hoch brisant ist auch der vertrauliche Arbeitsentwurf, der seit einigen Wochen in der Chemieindustrie kursiert. Die darin enthaltenen Paragraphen sind für die Unternehmen nichts anderes als eine forsch formulierte Vorabinformation, welche Belastungen ihnen ins Haus stehen.

Würde der Entwurf zum Gesetz, kämen auf die Industrie vor allem eine Meldepflicht für Bodenvergiftungen (Paragraph 9) und enorme Kosten zu. Das Gesetz verlangt von den Behörden nicht mehr nur die Abwehr von Gefahren, sondern auch deren Beseitigung. Neue Gefährdungen sollen gar nicht erst entstehen können. Die Sanierungsverfahren sind, wenn überhaupt bekannt, äußerst kostspielig. Im Paragraph 1 des Arbeitsentwurfs heißt es ganz lapidar, „eingetretene schädliche Bodeneinwirkungen sind zu beseitigen oder soweit wie möglich zu vermindern“.

Zur Kasse bitten könnten die Behörden den Verursacher, seinen Rechtsnachfolger, den Grundeigentümer und den „Inhaber der tatsächlichen Gewalt“ über das versaute Grundstück (Paragraph 6). Auch Grundeigentümer, die von einer Verseuchung wissen oder wußten, können zur Sanierung verpflichtet werden (Paragraphen 12, 4).

Extrem teuer käme ein solches Gesetz auch für den Bund: Als Besitzer unzähliger Gelände mit deutschen und alliierten militärischen Altlasten wird Bonn kaum eines der großen Brüder in Ost und West habhaft werden können.

Widerstände aus der Industrie

Thüringens Umweltminister Hartmut Sieckmann (CDU) sprach erst in der vergangenen Woche von fünfzig bis hundert Milliarden Sanierungskosten allein für die militärischen Altlasten in den neuen Bundesländern. Doch der Widerstand hat sich bereits formiert. Sperrungen, Nutzungseinschränkungen und Sanierungzwänge hängen an der Festlegung der Grenzwerte, die nicht im Gesetz genannt sind. Beim Umweltbundesamt (UBA) ist man pessimistisch, daß die schnelle Festlegung solcher Grenzwerte gelingt. Denn auch der Industrie ist bewußt, daß sich die Sanierungskosten an den Grenzwerten entscheiden. In Töpfers Ministerium suchen die Beamten derweil nach „wirkungsbezogenen“ Formulierungen für das Gesetz: „Man kann schließlich nicht die Hälfte der ehemaligen DDR durch eine Bodenwaschanlage schicken.“

Die UBA-Experten beurteilen auch den Versuch, individuelle Verursacher für Altlasten haftbar zu machen, skeptisch. „Wer mit Billigung der Gewerbeaufsicht seinen Betrieb hat laufen lassen, dem kann man doch jetzt keinen Strick daraus drehen“, so einer der UBA-Experten. Beim UBA favorisieren die Wissenschaftler daher eine „Superfund“- Regelung nach dem Vorbild der USA. Dort müssen alle Firmen der Branche in einen Sanierungstopf einzahlen, aus dem das Geld für Altlastensanierung dann vergeben wird.

Einen solchen Superfund will die Industrie „mit Sicherheit nicht“, weiß Hans-Wilhelm Wichert, der seit zweieinhalb Jahren für den Bundesverband der Deutschen Industrie mit den Beamten des Töpferschen Ministeriums zusammensitzt. Wenn Geld im Topf sei, meldeten alle Unternehmen teure Sanierungen an, wenn kein Geld da sei, gehe es auch erheblich billiger. Entweder der Verursacher zahle oder die Staatskasse. Auch Volker Bielefeld vom Zentralverband der Haus-, Boden- und Grundeigentümer warnt, daß die „Kosten nicht an den Eigentümern hängenbleiben dürfen“. Im Gesetzgebungsverfahren werde über Entschädigungen geredet werden müssen. Widerstände zeichnen sich schließlich auch bei der vorgesehenen Meldepflicht für Bodenvergiftungen ab. Den Verantwortlichen (Besitzer/Nutzer/Verursacher) soll es auch an den Kragen, wenn sie eine erkennbar schädliche Bodeneinwirkung nicht melden, „bei der Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belastungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht ausgeschlossen werden können“ (Paragraph 9). Wichert nennt eine solche Vorschrift schlicht „nicht praktikabel“. Im Umweltministerium hält man inzwischen die Meldepflicht „für sehr problematisch“. Die Eingriffe in die Eigentumsrechte der Landbesitzer seien zu gravierend. Etwaige Wertverluste bei vergifteten Grundstücken könnten so manches Unternehmen in den Ruin treiben. Die Wissenschaftler vom Umweltbundesamt sehen das erwartungsgemäß anders: Ohne Belastungskataster und Meldepflicht kann es keinen wirkungsvollen Bodenschutz geben.

Für Träumerei halten Experten schließlich die Hoffnung, Altlastenprobleme könnten durch nachwachsende Rohstoffe gemindert werden. Der „Einsatz nachwachsender Rohstoffe“ auf vergifteten Flächen, wie ihn auch der Arbeitsentwurf propagiert, würde in einem Fiasko enden: Auf vergifteten Rapsplantagen lasse sich zwar Rapsöl als Dieselersatz gewinnen. Der zurückbleibende abgepreßte Schrot darf aber nicht mehr in den Kuhtrog, er muß auf die Sondermülldeponie.