Seltsame Auftrittsverbote

Das Oberste Bundesgericht der Vereinigten Staaten hat mit fünf gegen vier Stimmen entschieden, daß die Regierungen der US-Staaten und örtliche Behörden das Tanzen einer nackten Person in der Öffentlichkeit verbieten dürfen. Daß sich das Gremium unter dem ehrenwerten Obersten Richter William Rehnquist überhaupt mit dieser Frage befassen mußte, geht auf ein Gesetz des US- Staates Indiana und den Protest dagegen zurück. Der 21. Zusatz zur Verfassung hatte es örtlichen Ordnungshütern freigestellt, das textilfreie Gehopse in Lokalitäten zu verbieten, in denen alkoholische Getränke ausgeschenkt werden. Das in Indiana verabschiedete Gesetz geht darüber hinaus, indem es Nacktheit auch dort verbietet, wo es weder Bier noch Schnaps gibt. Kritiker meinten, daß Gesetz verletze das First Amendment der US-Verfassung, das die Redefreiheit und das allgemeine Recht auf persönlichen Ausdruck garantiert. Wortführer der Klage waren zwei Kneipen und drei Frauen gewesen, die behaupteten, sie sähen es als unzulässige Beschränkung ihrer persönlichen Freiheit, wenn sie auf allerletzte Hüllen angewiesen blieben.

Der nächste Ärger ist schon vorprogrammiert. Denn das weltfremde Gerichtsurteil enthält keine Angaben darüber, ob die Anordnung auch für das Nackttanzen in Revuen oder Opernaufführungen gilt.

Der Stadtrat des britischen Blackpool hat eine Zirkusnummer verboten. Sie untersagten den Auftritt zweier Kinder, die unter Hypertrichose leiden. Hypertrichose ist eine genetisch bedingte Überbehaarung, die gelegentlich auch als Werwolf- Syndrom bezeichnet wird. Die beiden neun und 14 Jahre alten mexikanischen Brüder sollten im „Blackpool Tower Circus“ als Clowns und Trapezkünstler auftreten. Eine Kinderschutzorganisation wies auf den Mißbrauch der Kinder hin. Die Stadtverwaltung bezeichnete daraufhin die Nummer als „beschämend“, da sich Erwachsene auf Kosten der Kinder amüsierten.

Der Zirkusdirektor Mundo Campa hingegen brachte dem Auftrittsverbot nur Unverständnis entgegen. Er behauptet, die kleinen Künstler seien froh, beim Zirkus zu sein. Sie gehörten zu der Zirkusfamilie, seit sie aus ihrem Dorf, wo sie nur verspottet worden seien, entkommen konnten. Die moralische Frage bleibt offen: Dürfen die Kinder mit ihrer seltsamen Behinderung wie jeder andere im Zirkus arbeiten, oder dürfen sie es gerade wegen der Behinderung nicht? Die Kinder fragt natürlich niemand. Karl Wegmann