„...für den Rest darf gebetet werden“

■ Betrifft.: Artikel „Zum Gruseln...“ — taz v. 18.6.91 sowie Leserbrief „Geschlossene Augen“ - taz v. 22.6.91 und „Hollerland: Was ein Bebauungsplan können darf“ - taz v. 24.6.91

Wann hat es das zum letzten Mal gegeben? Auf einen Artikel im Kulturteil der taz antworten drei Herren aus zwei senatorischen Behörden mit langen und aufgeregten Leserbriefen. Diese Nervosität ist erklärlich, denn der Autor (“urbi“) sticht in das berühmte Wespennest, greift er doch im wesentlichen genau die Kritikpunkte auf, die schon in den öffentlichen Diskussionen im Beirat Horn-Lehe, der Einwohnerversammlung sowie der Deputationssitzung vorgebracht und bis heute nicht ausgeräumt wurden:

Die guten Absichten und Bemühungen des Herrn Lübbing aus dem Umweltressort in Ehren, aber außer dem Prinzip Hoffnung und wohlfeilen Absichtserklärungen hat er uns nichts anzubieten. Dem Beirat Horn-Lehe jedenfalls konnte bei seiner ablehnenden Beschlußfassung (und bis heute) kein bindender Vertrag zwischen den Stadtwerken und der GEWOBA über eine zentrale Wärmeversorgung vorgelegt werden.

Auch die Behauptung zum Verzicht auf einen Regenwasserkanal ist schlichtweg irreführend, weil nur für ein Drittel des Baugebietes eine entsprechende Festlegung gilt (WA) - für den Rest darf gebetet werden. Wenn er schließlich von „anderen für die Beurteilung wichtigen Unterlagen ...“ daherredet, so sind diese ganz und gar unerheblich, weil gemäß Bundesbaugesetz allein der hier in Rede stehende gezeichnete Bebauungsplan mit seinen textlichen Festsetzungen die zukünftige städtebauliche Ordnung konkretisiert und die einzige gültige Bindung gegenüber jedermann schafft. Und daß auch das Umweltressort „ein Höchstmaß an Grün- und Wasserflächen“ gefordert hat, nun ja, das ist immerhin lobenswert — den nötigen politischen Druck hat aber wohl eher die –Bürgerinitiative zur Rettung des Hollerlandes' entfaltet.

Die Herren Lemmen und Kniemeyer werden neben dem bekannten und unverbindlichen Architektennebel von „.. der angemessenen Gestalt dieser Siedlung am Landschaftsrand...“, „...im Interesse phantasievoller, bewährter oder auch neuer Lösungen...“ wenigstens an einer Stelle deutlich, wenn sie schreiben: „Ein gewisses Risiko des –offenen Plans' wird eingegangen.“ Nur — wer trägt dieses Risiko? In erster Linie der Stadtteil Horn-Lehe, dem wahrscheinlich 1.000 Wohneinheiten ohne die entsprechende soziale Infrastruktur zugemutet werden; in zweiter Linie all diejenigen, die heute auf dem Wohnungsmarkt am dringendsten Bedarf anmelden und jetzt darauf hoffen müssen, daß sich ein Investor für ihre Belange findet. Aus leidvoller Erfahrung mit anderen Baugebieten ist jedenfalls zu befürchten, daß sich der –offene Plan' als Blanko-Scheck für eine möglichst rentable Verwertung des Geländes durch die GEWOBA erweisen wird. Wie anders ist es zu erklären, daß dem Beirat Horn-Lehe bis heute keine präzisen Zahlen über die Anzahl und Art der Wohneinheiten vorgelegt wurden?

Es grenzt an Beleidigung des kritischen Bürgers, wenn sein Eintreten für verbindliche Festlegungen zum Schutz der Natur, für Alte und Behinderte und soziale Einrichtungen zum Wohle aller MitbürgerInnen als „falsches Verständnis von Staat und Bürgern“ verleumdet wird. Aus welchem Grunde — bitte schön — soll er nach den Erfahrungen mit vierzig Jahren SPD-Wohnungsbaupolitik bei der Hollerlandbebauung plötzlich an die „Einsicht“ und das „intelligente Handeln der Beteiligten“ glauben? Die Antwort darauf fällt schwer, weil die Herren sich auch noch in ihrer eigenen Argumentation verheddern: Denn einerseits wird behauptet, daß ökologische und soziale Anforderungen planungsrechtlich nicht durchsetzbar seien, andererseits werden mit Verweis auf das Bremer Naturschutzgesetz in den textlichen Festsetzungen — schön aber nebensächlich — Dach- und Wandbegrünungen gefordert. Viel ehrlicher ist da ihr Chef, Senator Kunick, wenn er sinngemäß sagt: „Im Bundesbaugesetz steht, daß wir festsetzen können, wir wollen das aber nicht.“ So isses!

Dieter Mazur

(DIE GRÜNEN im Beirat Horn-Lehe)