Goldener Schuß für Methadon?

■ Bundesweite Richtlinien erschweren Ersatzdrogenvergabe/ Jugendsenator Krüger: Attacke auf das Berliner Substitutionsmodell

Berlin. Berliner Ärzte, Drogen- und Gesundheitsberater fürchten um ihre Linie. Ihr abgestimmtes Zusammenspiel bei der Behandlung Heroinabhängiger mit der Ersatzdroge Methadon wird bundesweiten Richtlinien weichen müssen. An der Spree schlägt man Alarm. Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) sieht in der Beschlußvorlage des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen eine »Attacke auf das Berliner Substitutionsmodell«. Auch Constanze Jacobowski, Leiterin der von der Berliner Ärztekammer im Februar eingerichteten Clearingstelle, empfindet die Richtlinien als problematisch. Das in der Stadt gut funktionierende Modell könnte dadurch zerschlagen werden.

Vor etwa vier Jahren begannen in Berlin Diskussionen um die Vergabe von Methadon. Damals entschied sich die Ärztekammer für eine einzelfallbezogene, ärztlich begründete Substitution. Einen Katalog mit festen Zulassungsbestimmungen, wie ihn nunmehr die zentralen Richtlinien vorsehen, lehnt sie bis heute ab: Im Leben gebe es immer Fälle, die sich nicht einordnen ließen, sagte Frau Jacobowski. Statt nur abzuhaken, solle sich der Arzt mit der Persönlichkeit und der individuellen Geschichte seines Patienten auseinandersetzen.

Veränderungen erwarten die Berliner Verantwortlichen auch bezüglich der Zusammensetzung der Ethik-Kommission — eines Gremiums der Ärztekammer, das die Mediziner berät und ihre Gutachten für eine Substitution prüft. Künftig soll dies einer Kommission von Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und der Krankenkassen obliegen. Außerdem sollen den Richtlinien zufolge spezielle Mediziner für Substitutionsbehandlungen zugelassen werden. Doch »Methadon-Ärzte« lehnt die Ärztekammer in der Hauptstadt ab. In der Regel könne ein Arzt nicht mehr als drei bis fünf Drogenabhängige verantwortungsvoll substituieren.

Am meisten fürchtet Constanze Jacobowski um die enge Zusammenarbeit zwischen Medizinern und Drogenberatern. Während der Arzt den Patienten medizinisch überwacht und ihm täglich das Opiat verabreicht, übernehmen Drogen- und Aidsberatungsstellen sowie Gesundheitsämter die psychosoziale Betreuung. Nur mit der Hilfe zur Selbsthilfe kann ein Abhängiger dem jahrelangen Drogenkreislauf entkommen. So hatte die USA die Behandlung mit dem Heroin-Ersatzmittel in den sechziger Jahren völlig freigegeben, nachdem mit einem zuvor erstmals in der Welt durchgeführten Methadon- Programm gute Ergebnisse erzielt wurden. Der Erfolg, wie im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzeptes möglich, blieb jedoch aus.

Eine Methadon-Behandlung dauert durchschnittlich zwei bis drei Jahre. Bereits während der Therapie verbessert sich oftmals die gesundheitliche und soziale Situation der Betroffenen. Methadon dämpft zwar die Heroin-Entzugserscheinungen, hat jedoch keine euphorisierende Wirkung, so daß es der Abhängige allmählich lernen kann, wieder ein normales Leben zu führen.

In Berlin werden etwa 250 Patienten substituiert, einige hätten es nach Aussage von Frau Jacobowski »bereits geschafft«. Der Bedarf liege weit darüber. Für rund 10 Prozent aller Heroin-Abhängigen — in Berlin etwa 700 bis 1.000 Menschen — könnte dies ein Weg weg von der Abhängigkeit sein. Fehlende Mittel für die psychsoziale Begleitung lassen derzeit nicht mehr Behandlungen zu. Annette Kurth/adn