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Gefahr für heiligen Sonntag

■ Beim nassesten Wimbledon-Turnier seit 80 Jahren dominiert weiter der Regen

Wimbledon (taz) — Der Himmel über Wimbledon blieb auch am Donnerstag dunkel. Der Regen tat, als ob er gerade erfunden worden wäre. Manche Straßen standen zentimeterhoch unter Wasser. Und, so trug Turnier-Organisator Alan Mills mit bewundernswerter Haltung vor, auch weiterhin soll es regnen.

„Noch ist es nicht kritisch, aber bald.“ Immerhin konnten am Mittwoch abend noch einige Spiele entschieden werden, doch statt der geplanten 128 Erstrunden-, 32 Zweitrunden- und 32 Doppelmatches waren am Ende des dritten Tages gerade knapp fünfzig Einzel beendet. Und auch die vorgezogenen Partien, die gestern um 12 Uhr beginnen sollten, fielen erst mal wieder ins Wasser. Das Londoner Wetter-Center ließ immerhin einen geringen Raum für Optimismus: „Es wird zwischen den Schauern ein bißchen Sonnenschein geben.“ Ansonsten hatten die Wetterfrösche nur Prognosen der düstersten Art parat. Sie prophezeiten das regenreichste Wimbledon seit achtzig Jahren.

Nun wird wohl am traditionell spielfreien Sonntag gesägt werden, obwohl Mills abwiegelte: „Wir sind noch nicht an dem Punkt, darüber nachzudenken.“ Dann dachte er aber doch: „Dahinter stehen erhebliche Organisationsprobleme: Verkehr, Linienrichter, Balljungen, die ganze Operation Wimbledon muß geändert werden.“ Als weitere Maßnahme kann das Juniorenturnier gecancelt werden, und die Herren-Doppel könnten auf zwei Gewinnsätze reduziert werden. Noch glaubt Mills daran, daß das Endspiel pünktlich stattfindet. Grundsätzlich unterliegen Grand-Slam-Turniere keiner zeitlichen Beschränkung. „Man kann nur hoffen, das es nicht bis August durchregnet.“

Hart trifft der Regen die Zuschauer. Denn in Wimbledon gibt's kein Geld zurück. Einziger Trost für einen Regentag: Der Kartenbesitzer darf es nächstes Jahr am gleichen Tag wieder probieren. Eine Regelung, die eben nur Briten mit Würde zu tragen bereit sind. „Well“, sprach Mister Mills, „es ist frustrierend und deprimierend.“

Seine Unruhe ist begründet: Das Wimbledon-Turnier ist in die Kritik geraten. Jedes andere Grand-Slam- Turnier bietet besseren Service. In Wimbledon fehlt es an ausreichenden Trainingsmöglichkeiten und vernünftigen Zufahrtswegen. Um Abhilfe zu schaffen, will Club-Chief Chris Gorringe das Gelände des benachbarten Wimbledon Clubs kaufen. Doch der Privatclub sträubt sich gegen die Sieben-Millionen-Pfund- Offerte. „Die Zukunft des Turniers liegt in der Hand des Clubs“, appelliert Gorringe an die Verantwortung des unbedeutenden Nachbarclubs. Doch denen ist Tradition wichtiger als Verantwortung: „Wir sind hier seit 100 Jahren. Und wir haben einen großen Sinn für Tradition und eine heftige Abneigung gegen Veränderungen“, teilte Clubchef Brian Gibbons seinem Amtskollegen mit.

Das wäre die Krönung des Skurrilen: das Traditionsturnier stirbt am Traditionsbewußtsein. -miß-

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