In den Türkei-Urlaub nur über Ungarn

■ Weil eine Autofahrt durch Jugoslawien wegen des Bürgerkriegs unmöglich ist, besorgen sich viele TürkInnen Visa vom Ungarischen Konsulat

Berlin. Türkische Familien aus ganz Norddeutschland sind gestern zum Ungarischen Konsulat nach Berlin gereist, um ihren Urlaub in der Heimat zu retten. Denn die Reise in die Türkei durch Jugoslawien ist seit ein paar Tagen wegen des Bürgerkrieges nicht mehr möglich. Die jugoslawische Grenze nach Österreich wurde geschlossen. Die Alternative heißt nun: Umweg über Ungarn.

Die Fahrt durch Jugoslawien kostete zwar 300 Mark Autobahngebühr, aber ein Visum war nicht nötig. Für Ungarn braucht man jedoch ein Transitvisum. Da am Donnerstag in Berlin und Hamburg die Schulferien beginnen, war höchste Eile geboten. In der Bundesrepublik gibt es nur drei ungarische Vertretungen — die Botschaft in Bonn und die Konsulate in München und Berlin.

Ein etwa 50jähriger Türke hält seinen Paß hoch und lacht. Vier rosa Zettel flattern in seinem Ausweis: die Transitvisa durch Ungarn für ihn und seine Familie. Der Urlaub in der Türkei ist gerettet. Zwei Polizisten versuchen die ungeduldig Wartenden von der Tür des Ungarischen Konsulats Unter den Linden wegzudrängen: »Immer der Reihe nach«, beschwichtigt ein Polizist die nervöse Menge. Um halb 3 Uhr nachmittags standen fast 800 Menschen auf der Warteliste des Konsulats.

Orhan K. hatte sich vorgestern nachmittag mit einem Kollegen von Hamburg nach Berlin aufgemacht: »Immer in der Angst, wir bekommen kein Visum.« Schon seit 3 Uhr morgens stünden sie vor dem Konsulat. Um 10 Uhr seien dann Nummern an die Wartenden vergeben worden — Achmed erwischte die Nummer 55.

Fatima Sahin macht sich kaum Hoffnungen, daß die Warterei heute für sie zu Ende sein könnte. Sie hat die Nummer 296. »Die ganze Urlaubsvorbereitung fällt flach«, ärgert sie sich. Statt in Ruhe ihre Koffer zu packen, steht sie sich vor dem Konsulat die Beine in den Bauch.

»Ich seh' mich hier schon im Zelt übernachten«, schimpft Sezer Türbsoy und hört dann erleichtert, daß die Ungarn jetzt auch Visa an der Grenze ausstellen. Trotzdem zögert sie wegzugehen. »Wer weiß, wie lange man an der Grenze warten muß«, sagt ein Mann, der extra aus Bremen angereist ist. »Und dann machen die Grenzbeamten solche Fratzen«, sagt ein anderer und verzieht sein Gesicht zu einer mürrischen Grimasse. Alternativen zum Auto gibt es kaum. Die Züge sind voll und zu teuer. Und die Fähre von Venedig in die Türkei sei schon seit einem Vierteljahr ausgebucht, berichtet Fatima. Das Ungarische Konsulat hat sich inzwischen auf ein arbeitsreiches Wochenende eingestellt: »Auch Samstag und Sonntag werden von 9 bis 13 Uhr Visaanträge bearbeitet«, erklärt Presseattaché Bal Szabo. Mitgebracht werden müssen vier Fotos und 60 DM pro Visum. Anja Seeliger