Die Frauenbeauftragte bei VW — eine Alibifunktion

Gabriele Steckmeister sollte vorgeblich die strukturelle Benachteiligung der Frauen beim Automobilriesen abbauen/ Nach anderthalb Jahren gab sie auf  ■ Von Ulrike Helwerth

„Frau gekauft, Golf geleast“, persiflierte das Satiremagazin 'Titanic‘ im April 1990 die Leasing-Werbeoffensive des Wolfsburger Automobilkonzerns. Für Gabriele Steckmeister, damals neue VW-Frauenbeauftragte, ein willkommener Anlaß, ihrem Brötchengeber in Sachen frauenfreundliche Werbung Nachhilfe zu geben: „Die Produkt- und Leasing-Werbung muß von unterschwellig diskriminierenden Annoncen zu zukunftsorientierten Annoncen kommen, die auch Frauen als Kundinnen speziell ansprechen“, appellierte sie an die Vorstandsetage und kitzelte den Unternehmensgeist mit dem Hinweis auf die Konkurrenz: „vgl. Daimler Benz: ,Mercedes war eine Frau.‘“

Zum 30. Juni hat die 37jährige promovierte Sozialwissenschaftlerin bei VW die Segel gestrichen. Denn sie möchte für das Unternehmen „keine Alibifunktion“ haben. Als sie am 1. Februar 1990 die Leitung der neu geschaffenen Stabstelle Frauenförderung übernahm, da schwebte ihr einiges mehr vor als „Mutter-Kind-Programme“, Wiedereinstellungsgarantien nach verlängertem Erziehungsurlaub, Teilzeitarrangements und der Kampf für Betriebskindergärten. Sie wollte „Geschlechterpolitik in die Unternehmenskultur einführen“. Letztlich aber habe sie „an der Macht nicht einmal gekratzt“, sagt sie rückblickend.

1989 hatten Unternehmensleitung und Gesamtbetriebsrat „Grundsätze zur Frauenförderung“ bei VW unterschrieben. „Ziel der Frauenförderung ist es, den Frauenanteil qualitativ, quantitativ und strukturell zu erhöhen, und zwar an der Belegschaft insgesamt, in qualifizierten Tätigkeiten, auf allen Leitungs- und Führungsebenen“, heißt es dort. Von „Planungsgrößen“, der „planmäßigen“ Steigerung der weiblichen Auszubildenden in gewerblichen Berufen ist die Rede und: „Bei gleichwertigen Qualifikationen werden Frauen vorrangig berücksichtigt.“ Das klingt gut.

Der Haken bei der Sache ist jedoch, daß es keine verbindliche Regelungen dafür gibt, in welchen Bereichen und welchem Zeitraum wieviele Frauen ausgebildet, eingestellt, weiterqualifiziert und befördert werden müssen. Gabriele Steckmeister schlug vor, den Herren in den Führungsposten entweder durch Bestrafung (Tantiemenkürzung) oder Belohnung (Bonus) die Frauenförderung näher zu bringen. Doch die Unternehmensleitung ging darauf erst gar nicht ein. „Es gab keine Möglichkeit, die Karriere eines Mannes auch daran zu messen, was er zur Förderung der Frauen tat“, so Gabriele Steckmeister. Statt dessen sei sie vertröstet worden: „Sie müssen Geduld haben, das Bewußtsein ändert sich nur langsam.“

Doch die ehrgeizige Sozialwissenschaftlerin, die vorher bereits als Frauenbeauftragte der Stadt Stuttgart selbst Oberbürgermeister Manfred Rommel zur Weißglut bringen konnte, hatte diese Geduld nicht. Es liegt ihr eben nicht, mit weiblicher Bescheidenheit und Diplomatie die Macht der Männerbünde sanft aber stetig aufzuweichen.

Die betriebliche Frauenförderung hat VW nicht erfunden. Bei IBM in Stuttgart gibt es seit 1982 eine „Beauftragte für Chancengleichheit“. Auch einige Unternehmen der Metallbranche haben sich die Frauenförderung auf ihre Fahnen geschrieben. Und der Pharmakonzern Schering präsentierte sich im Oktober 1990 stolz als Spitzenreiter der Chemiebranche mit seinem neuen „Grundsatzreferat Frauenfragen“.

Haben bundesdeutsche Großunternehmen also dem gesellschaftlichen Druck der Frauen nachgegeben? Auf Nachfrage wird klar: Es geht um handfeste Unternehmensinteressen, die Sicherung des Personalbedarfs. Die demographische Entwicklung drohte — zumindest bis vor der Vereinigung — die männliche Führungs- und Facharbeitskraft in einigen Jahren zur Mangelware werden zu lassen. Also ran an die Reserve Frau. Mehr Mädchen in den gewerblich-technischen Bereich, innerbetriebliche Weiterqualifizierung für ungelernte Arbeiterinnen, Stipendienprogramme für Studentinnen der Natur- und Ingenieurwissenschaften, Teilzeitregelungen, Wiedereinstellungsgarantien nach einer verlängerten Familienpause, von der fast ausschließlich Frauen Gebrauch machen.

Das alles „tut keinem weh, im Gegenteil,“ sagt Gabriele Steckmeister. Auch „Führungskräfteprogramme“, mit denen einzelne Frauen ins mittlere und höhere Management geholt werden, um dort die Lücken zu füllen, und weil man sich von ihnen den innovativen, sprich flexibleren und kooperativeren Führungsstil verspricht, laufen gut. Jedenfalls solange die Chefs aussuchen und bestimmen können, wen und wie viele Frauen sie fördern wollen. Und das sind eben „nur so viele, daß der Laden läuft“, stellte die Ex-Frauenbeauftragte bei VW fest. Beim größten deutschen Autohersteller kommen Frauen derzeit auf rund 13 Prozent der Gesamtbelegschaft. Die meisten arbeiten in der Produktion oder in der Verwaltung. In Führungspositionen, ab Abteilungsleitung aufwärts, sitzen in Wolfsburg vier Frauen — das sind 0,4 Prozent.

Feste Zielgrößen aber, in der Wirtschaft zur Planung des Geschäfts auf allen Ebenen üblich, sind in der Frauenförderung verpönt. Somit läßt sich das ganze Gedöns um die „Chancengleichheit im Beruf“ (Schering) auch als Vorwärtsverteidigung interpretieren — gegen staatliche Zwangsmaßnahmen wie Gleichstellungsgesetze oder gar verbindliche Quotenregelungen. Gegen letztere erhalten die Bosse gar Unterstützung von Frauenförderfrauen. So schrieb Hildegard Fleck, Beauftragte für Chancengleichheit bei IBM, 1989 in der Zeitschrift 'Personalführung‘: „Des weiteren wird die freiwillige Verpflichtung zur Chancengleichheit einer gesetzlichen Quotenregelung entgegenwirken. Letztere würdigt weder die Leistung und das Engagement der Frauen, noch wird sie unternehmerischer Wettbewerbsfähigkeit gerecht.“ Und auch Betriebsrätinnen wie Erika Stetz (IG-Metall), Vorsitzende des Ausschusses zur Gleichstellung der Frau beim VW-Gesamtbetriebsrat, vertreten 1991: „Wir wollen nicht als Quotenfrauen gelten, sondern uns durch Leistung beweisen.“

Gabriele Steckmeister hat VW verlassen, die Frauenförderung soll bleiben — allerdings degradiert von einer Stabsstelle beim Vorstand zu einer Abteilung in der Personalentwicklung. Der Betriebsrat hat zugestimmt. Dort soll die Nachfolgerin nun „gezieltes Personalmarketing“ treiben. Nicht mehr in ihre Kompetenz fallen dann Ideen wie eine, die Gabriele Steckmeister unter dem Titel „Sponsoring Frauen-Taxi“ dem Vorstand vorgeschlagen hatte: VW könnte doch fünf bis zehn Pkw in einer Großstadt zur Verfügung stellen, um „erstmalig dieses gesellschaftspolitische Desiderat umzusetzen“. Das sei schließlich gleichzeitig „gute Produktwerbung!“