Schwarze Fahnen im Revier

Zehntausende demonstrieren für die Steinkohle/ „Wir haben von Möllemann die Schnauze voll“  ■ Aus Bochum Walter Jakobs

Gestern endete die Frühschicht in den Betrieben der Ruhrkohle AG zwei Stunden früher als üblich. Pünktlich um „5 vor 12“ standen alle Räder still, versammelten sich Tausende von Bergleuten vor den Werkstoren der Zechen und Kokereien, um gegen „die Kahlschlagpläne von Möllemann „zu demonstrieren. Die Stimmung unter den Bergmännern ist gereizt.

In Recklinghausen besetzten etwa 2.000 von ihnen für eineinhalb Stunden die Bundesstraße 51. In mehreren Städten gab es Demonstrationszüge in die jeweiligen Innenstädte. Insgesamt beteiligten sich nach Angaben der Industrie Gewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE) etwa 50.000 Beschäftigte an den Protesten. In Dortmund verteilten Stahlarbeiter und Bergleute gemeinsam Flugblätter, mit denen zum entschlossenen Kampf um die Region aufgerufen wurde. „Bevor wir betteln gehen, gehen die Politiker baden“, hieß es auf Plakaten. Wenn Möllemann seine Pläne zum Abbau der Steinkohlesubventionen verwirklichen könne, bedeute das Arbeitslosigkeit für Zehntausende von Bergleuten und Beschäftigten in der Zulieferindustrie.

In der Innenstadt von Gelsenkirchen-Buer hinterließen die Kumpel von der Zeche Hugo einen randvoll mit Kohle gefüllten Förderwagen. Der soll dort solange stehen bleiben, „bis die Subventionen gesichert sind“, wie ein Betriebsrat sagte. Nachdem vor rund zwei Wochen aufgebrachte Bergleute eine Strohpuppe mit der Aufschrift Möllemann verbrannt hatten, gingen die Proteste gestern ohne jeden Zwischenfall über die Bühne. Die Forderung von Rednern der IGBE, sich trotz des Frustes „nicht zu unbedachten Handlungen“ hinreißen zu lassen, fand überall Gehör. Extrem sauer auf den Bonner Wirtschaftsminister waren die Demonstranten aber überall. „Wir haben die Schnauze gestrichen von Möllemann voll“ oder „Möllemann muß weg“-Rufe waren zu hören. Sollte Möllemann sich mit seinen Vorstellungen durchsetzen, dann würden nach den Berechnungen der IGBE bis 1995 zusätzlich zu dem verabredeten Arbeitsplatzabbau von 15.000 weitere 12.000 Jobs im Bergbau wegfallen. Um das zu verhindern, so die IGBE, brauche man einen „langen Atem“. Den von einer Minderheit geforderten Marsch auf Bonn wird es vorerst nicht geben. Die Gewerkschaft will nicht schon ihr gesamtes Pulver verschießen.