Sloweniens Armee ist gut bewaffnet

■ Die Slowenen „essen lieber Stroh, als Slowenien zu verraten“ — sagt jedenfalls ein populäres Sprichwort

„Wir werden kämpfen, wenn es nötig ist“, hatte schon am letzten Montag der Offizier der slowenischen Territorialarmee, Colonel Slapar, vor Journalisten angekündigt. Slapar, ein ruhiger, hagerer und überlegter Mittvierziger, ist einer der Offiziere, die nach ihrem Ausscheiden aus der jugoslawischen Volksarmee vom Slowenischen Verteidigungsminister Janez Jansa zum Aufbau der eigenen Armee herangezogen wurden. In dem für die Presse damals geöffneten Camp, das etwa 30 km von Ljubljana in der Nähe der Stadt Ig liegt, wurden Waffen — auch panzerbrechende— gezeigt, die den Territorialkräften zur Verfügung stehen.

Was Journalisten damals noch belächelten, ist nun blutige Realität geworden. Nach Plan sollten in den nächsten Monaten die slowenischen Streitkräfte auf 6.000 bis 7.000 Mann gebracht werden. Offensichtlich haben die Slowenen ihre Verteidigung jedoch seit Monaten ernsthaft betrieben, so daß die Stärke der slowenischen Verteidigungskräfte durchaus höher einzuschätzen ist, denn es stehen ihr ja noch die „territorialen Verteidigungseinheiten“ zu Verfügung. Auch die Bewaffnung ist, wie die ersten Tage des Krieges zeigen, nicht nur aus jugoslawischen Quellen gespeist. Slapar gab zu, in den letzten Wochen Waffen auf dem Weltmarkt erstanden zu haben.

In dem Ausbildungslager bei Ig waren schon die ersten 300 Wehrpflichtigen eingerückt, die den Dienst in der jugoslawischen Volksarmee hätten antreten müssen, aber durch den Befehl der slowenischen Regierung hier ihren Dienst ableisteten. Der wesentliche Rückhalt der slowenischen Verteidigungskräfte sind jedoch die „territorialen Verteidigungseinheiten“, die nach der titoistischen Militärdoktrin nach 1968 gebildet wurden. Nachdem nämlich die Warschauer-Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei eingerückt waren, sollten diese Verbände in der Lage sein, einem Aggressor einen Guerrillakrieg aufzuzwingen. Diese Einheiten sind dezentralisierte Verbände, die sich im Kern auf die Polizeieinheiten der Republiken stützen. Nicht erst im Zuge der politischen Entwicklungen der letzten Jahre versuchte die jugoslawische Armee, die Kontrolle über diese Einheiten wiederzuerlangen, weil das damit verbundene System der Volksbewaffnung den Generälen zu risikoreich erschien. Aber als 1989 ein Beschluß der Armeeführung erfolgte, die Territorialeinheiten 1992 aufzulösen, war es schon zu spät. Die Republiken — Kroatien verfügt immerhin nun über 70.000 Bewaffnete, Slowenien inoffiziell über 30.000 — sahen diese Einheiten als Kern ihrer eigenen, noch aufzubauenden Armee an. Slowenien beschloß Ende September 1990, die Territorialeinheiten unter den Befehl der slowenischen Regierung zu stellen. Kein Wunder also, daß die Jugoslawische Armee versuchte, die Waffenlager der Territorialeinheiten in ihren Besitz zu bekommen. In Slowenien wurde das 1990 versucht, 40 Prozent der Waffen wurden beschlagnahmt, vorige Woche noch wurden Ausbildungsflugzeuge der Luftwaffe gekidnappt.

Nicht alle verfügbaren Waffen sind in den Besitz der Territorialeinheiten übergegangen. Viele Waffen, vor allem amerikanische Thomsen-Maschinenpistolen, die den Territorialkräften zur Verfügung stehen, gelangten auch in den Besitz der Parteimilizen oder der rechtsradikalen Extremisten, vor allem in Serbien und in Bosnien. Die serbischen Nationalisten, die Tschetniks, sind im Besitz von 10.000 aus Rumänien importierten Kalaschnikows. In Jugoslawien, und dies darf bei dem „regionalen Konflikt“ in Slowenien nicht aus den Augen verloren werden, gibt es schon eine Vielzahl von Milizen. So verfügt die Regierung in der zu Kroatien gehörenden serbischen autonomen Region Krajina nun schon über 3.000 bis auf die Zähne bewaffnete Kämpfer. Aber auch die Muslime in Bosnien und im Sandschak, einer Region in Westserbien, verfügen über Waffen. Es ist anzunehmen, daß auch die Albaner im Kosovo geheime Waffenlager haben.

An die Heftigkeit des Widerstands, wie sie nun der jugoslawischen Volksarmee entgegenschlägt, hat wohl die Generalität in Belgrad nicht so richtig glauben mögen. Es hätte ihnen eine Warnung sein können, daß der Spruch „Ich esse lieber Stroh, als Slowenien zu verraten“ schon vor der Unabhängigkeit recht populär war. Erich Rathfelder, Ljubljana