Der Eiertanz des Doktor Gomolka

■ Kein Ende im Rundfunk-Hickhack/ Abgeordnete im mecklenburg-vorpommerschen Landtag Schwerin vermuten, Programmkost aus „Tütensuppen und Blechdosen“ verabreicht zu bekommen

Berlin/Schwerin. Was er früher hörte und sah, weiß zumindest er ganz genau. Was er künftig hören und sehen will, darüber scheint sich der Landesvater von Mecklenburg- Vorpommern selbst nicht im klaren. Denn was Alfred Gomolka einem langsam nicht mehr staunenden Publikum in Sachen Rundfunk bietet, mutet mittlerweile bizarr an. Die Opposition im Landtag nannte das mecklenburg-vorpommersche Rundfunktheater kurz „Eiertanz“.

Offenbar hat der geborene Breslauer, der in Thüringen aufwuchs und seit 30 Jahren in der Boddenstadt Greifswald lebt, bis heute Schwierigkeiten mit der Mentalität seiner norddeutschen Mitbürger.

Zwar behauptet Gomolka von sich, dickköpfig zu sein, wenn er erst einmal eine Richtung für zweckmäßig erkannt hat — in Sachen Rundfunk scheint die Richtung jedoch noch nicht gefunden. Zur Jahreswende war der promovierte Geographie-Dozent noch der Meinung, die Mentalität seiner Landsleute am besten über den Norddeutschen Rundfunk (NDR) im Verbund mit Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen transportiert zu sehen. Nach einem Kamingespräch mit dem Kanzler war der 1942 geborene politische Autodidakt urplötzlich vom besseren Angebot aus dem CDU-regierten Berlin überzeugt.

Die Berliner waren im Januar mit der Idee an die Öffentlichkeit gezogen, einen N„ordostdeutschen Rundfunk“ gemeinsam mit Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zusammenzubasteln. Gomolka schickte dann auch den Chef seiner Staatskanzlei in die Verhandlungen, die bis zur Unterschriftsreife gediehen. Fortan mühte sich Gomolka um die erforderliche Mehrheit in seinem Parlament und bekam dabei nicht nur Schwierigkeiten mit der Opposition, sondern auch mit Koalitionspartner FDP, der stur für den NDR plädierte. Auch in den eigenen Reihen schwankte man mächtig, doch konnte Gomolka diese Wogen in die jeweils angesagte Richtung glätten. Am 23. April bescherte der Rundfunk-Hickhack dem CDU-Politiker eine Abstimmungsniederlage im Parlament — die erste für einen der neuen CDU-Männer im Osten überhaupt.

Unter dem parlamentarischen Druck zu Verhandlungen mit dem NDR entdeckte Gomolka dann wieder die Pluspunkte beim Norddeutschen und war bereit, das bessere Angebot das Rennen machen zu lassen. Diesen Wettlauf um die Gunst des Nordens schien bis vor kurzem der NOR zu gewinnen.

Die nächste Überraschung bereitete sich Gomolka selbst: Statt die Urkunde zum NOR-Staatsvertrag am Mittwoch zu unterzeichnen — wozu er im übrigen die CDU-Kabinettsmehrheit hinter sich hatte — schob er die Berlin-Entscheidung des Bundestages und das anvisierte Bundesland Berlin-Brandenburg vor. Ein Schalk, wer an die sich anbahnende erneute Abstimmungsniederlage im Landtag und eventuelle Rücktrittsfolgen denkt, hätten doch FDP, SPD und PDS — und somit die Mehrheit — klar gegen den NOR votiert. Um den allzu offensichtlichen Eindruck zu beheben, konfrontierte Gomolka die medieninteressierte Öffentlichkeit auch gleich mit einer neuen Variante: dem Gaus-Vorschlag zu selbständigen Landesrundfunkanstalten bei technischer Zusammenarbeit.

Ein Ende des Rundfunktheaters ist nicht in Sicht. Glücklicherweise auch keine weitere neue Variante. Zugute kann man Gomolka halten, daß neben den vielen Problemen seines Landes — unter anderem den sterbenden Werften und Landwirtschaftsbetrieben sowie der weiter abflauenden Tourismuswelle — die Neugestaltung der Rundfunklandschaft das geringste ist. Bleibt zu hoffen, daß, wenn der letzte Vorhang fällt, für Hörer und Zuschauer nicht nur, wie es Abgeordnete im Landtag vermuten, eine Programmkost aus „Tütensuppen und Blechdosen“ verabreicht wird. adn