Bündnis 90: Wenn es nicht klappt, gibt's kein Geld

■ Bewegungen im Zugzwang/ Schulz: „Wer's nicht begreift, braucht sich nicht zu wundern, wenn im nächsten Bundestag nur noch drei Parteien sind“

Berlin. Genau bis zum 3.Oktober 91 haben die ostdeutschen Bürgerbewegungen Zeit, sich zum Bündnis 90 zusammenzuschließen und damit dem bundesdeutschen Wahl- und Parteienfinanzierungsgesetz Genüge zu tun. „Wenn wir das nicht schaffen, sehe ich schwarz“, so Wolfgang Templin (Initiative Frieden und Menschenrechte). Er hat allen Grund dazu: Die Zahl der aktiv engagierten Mitglieder in den einzelnen Bürgerbewegungen ist bedrohlich geschrumpft. Will man die anfallende politische Arbeit noch bewältigen, ist eine Zusammenführung der verbliebenen Kräfte unvermeidbar. Hinzu kommt die finanzielle Situation der Bürgerbewegungen, die sich nicht selbst finanzieren können und auf Zuwendungen des Bundeshaushaltes angewiesen sind. Auf die hat man aber nur Anspruch, wenn es gelingt, bis zum 3.Oktober das Bündnis 90 als wählbare politische Organisation zu gründen. Eine Sonderregelung, wie zur letzten Bundestagswahl, als NF, DJ, IFM, UFV und die Grünen als Listenverbindung antraten, wird es bei der nächsten nicht mehr geben.

Für rund 90 Delegierte der IFM, DJ, NF und der sächsischen Grünen war das der Anlaß, auf einer Arbeitskonferenz am 28./29. Juni in Berlin- Buch die nötigen Schritte für die Gründung des Bündnis 90 im Herbst vorzubereiten. An ihrer Entschlossenheit dazu ließen sie keinen Zweifel, eine Willenserklärung mit dem Termin für die Gründung des Bündnis 90 am 20./21. September des Jahres wurde einstimmig verabschiedet.

Die Konferenz überarbeitete den Entwurf einer Satzung für das Bündnis 90 und dessen „politische Leitlinien“ (Thesen zum Grundkonsens). Die Ergebnisse der anstehenden Diskussionen in den Regionalgruppen der Bürgerbewegungen werden für den Erfolg der Gründungsveranstaltung im September entscheiden. Doch diese stehen keineswegs eindeutig fest: Viele Mitglieder tun sich schwer mit der Auflösung „ihrer“ Bürgerbewegung und dem damit verbundenen Abschied von Namen wie Demokratie Jetzt, Neues Forum oder Initiative Frieden und Menschenrechte. Doch nur so ist eine Fusion zum Bündnis 90 juristisch möglich.

Hinzu kommen mancherorts persönliche Differenzen zwischen den Mitgliedern der einzelnen Bürgerbewegungen, die eine Einigung in Grundsatzfragen wesentlich erschweren. Besonders kompliziert ist die Lage im Neuen Forum. Während Teile auf dieser Arbeitskonferenz versuchten, die Weichen für das Bündnis zu stellen, versammelte sich in Erfurt der Flügel um Bärbel Bohley und Reinhardt Schult, um über politische Inhalte statt über „Einheitsparteienschmus“ — gemeint ist das Bündnis 90 — zu reden.

Werner Schulz (MdB, Mitglied des Neuen Forums): „Wenn diese Leute das Bündnis nicht wollen, sollen sie draußenbleiben. Meine Geduld ist zu Ende. Wer jetzt noch nicht begriffen hat, worum es geht, braucht sich nicht zu wundern, wenn es nach der nächsten Wahl nur noch drei Parteien im Bundestag gibt.“ Damit benannte er ein weiteres Problem: Die Fünf-Prozent-Hürde zur nächsten Bundestagswahl kann man nämlich nur gemeinsam mit den Grünen überspringen. Denkbar wäre eine Vorgehensweise, wie sie die Unionsparteien praktizieren, das heißt, in den neuen Ländern tritt nur das Bündnis 90 an, während die Grünen sich auf die alten Bundesländer beschränken. Dies würde aber bedeuten, daß sich das Bündnis 90, sollte es im Herbst gegründet sein, mit den grünen Landesverbänden der neuen Bundesländer auf ein solches Vorgehen verständigen muß.

Werner Schulz: „Vielleicht könnte das ,sächsische Modell‘ — dort streben die Grünen einen gemeinsamen Landesverband mit den Bürgerbewegungen an — eine Lösung sein, die Signalwirkung auf die ganze Bundesrepublik hat.“ Thomas Voit