Sozis für und gegen Straßenausbau

■ Koalition will Waltersdorfer Chaussee auf sechs Spuren verbreitern/ Sondersitzung des Verkehrsausschusses/ SPD-Verkehrsexpertin Zillbach ist dagegen, stimmt aber dafür

Berlin. Trotz Proteste der Opposition und starker Bedenken in der SPD will der Verkehrsausschuß des Abgeordnetenhauses heute in einer Sondersitzung grünes Licht für den Ausbau der Waltersdorfer Chaussee in Neukölln geben. Die Abgeordneten müßten vor der Sommerpause noch einmal zusammenkommen, um zu verhindern, daß noch mehr Zeit verlorengehe, begründete der CDU- Abgeordnete Giesel auf taz-Anfrage gestern die Eile. Auf der Straße, die vom Rudower Ortskern zum ehemaligen Grenzübergang Waltersdorfer Chaussee führt, herrsche seit der Grenzöffnung wegen des starken Autoverkehrs das »Chaos«.

Nach den Plänen von Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) soll die jetzt zweispurige Straße auf Kosten eines Grünstreifens auf üppige sechs Spuren verbreitert werden, darunter zwei Parkspuren. Ähnliche Pläne, die die Verkehrsverwaltung schon im letzten Jahr verfolgt hatte, waren von der damaligen rot-grünen Mehrheit im Parlament gestoppt worden. Auch die Senatsumweltverwaltung hatte noch bis vor kurzem verschiedene Bedenken angemeldet. Dieses »monatelange, mir unverständliche Hin und Her« müsse jetzt ein Ende haben, sagt Giesel.

In der SPD-Fraktion gibt es jedoch nach wie vor Widerstände gegen den Ausbau der Chaussee. »Im Zwiespalt« fühlt sich insbesondere die verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion, Käthe Zillbach. Sie findet den Ausbau eigentlich »nicht richtig«, muß ihm aber zustimmen, weil ihre Fraktion dies unter dem Druck der Neuköllner Parteifreunde beschlossen hatte. »Man muß den Leuten die Straße nicht gerade direkt durch den Vorgarten bauen«, ärgert sich Zillbach. Sie will deshalb noch einige »kritische Fragen« loswerden, bevor sie sich dem Fraktionszwang beugt und ihre Hand hebt.

Deutlichen Widerstand kündigte gestern Michael Cramer von Bündnis 90/Grüne an. Haases Planung widerspreche dem Senatsbekenntnis zur »Priorität des öffentlichen Nahverkehrs«, kritisiert er. Es sei unter Fachleuten »unstrittig«, daß genau an dieser Stelle die U-Bahn-Linie bis nach Schönefeld verlängert werden müsse, die jetzt noch in Rudow ihre Endstation hat. Es sei daher abzusehen, daß die Waltersdorfer Chaussee kurz nach ihrem Ausbau erneut aufgerissen werden müsse. Außerdem sei es »gültige Rechtsauffassung«, daß dem Ausbau einer Bundesstraße ein Planfeststellungsverfahren vorangehen müsse. Darauf wolle die Koalition aber verzichten, bemängelt Cramer. Wenn der Verkehrsausschuß heute trotzdem ein positives Votum abgebe, werde er den Wissenschaftlichen Parlamentsdienst auffordern, die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung zu überprüfen. Ein Straßenausbau an dieser Stelle zu diesem Zeitpunkt, resümiert Cramer, wäre ein »Schildbürgerstreich«. hmt