Tag der Niederlagen

■ Beim Europacup der Leichtathletik konnte das deutsche Frauenteam am ersten Tag nicht die hochgesteckten Erwartungen erfüllen

Frankfurt (taz) — Die 20.000 Zuschauer im Frankfurter Waldstadion kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Dem hochfavorisierten gesamtdeutschen Frauenteam gelang am ersten Tag des Europacup-Finales kein einziger Sieg. Sichere Punktetrümpfe stachen einfach nicht. Weder Kugelstoß-Europameisterin Astrid Kumbernuß, noch 1.000-Meter-Weltrekordlerin Christine Wachtel, noch Grit Breuer über 400 Meter oder die „Goldmarie“ der letztjährigen EM von Split, Katrin Krabbe, konnten Erfolge verbuchen.

Auch nicht die erfolgsverwöhnte Speerwurf-Olympiasiegerin Petra Felke, die lediglich Dritte wurde und sich daran erinnern konnte, daß sie zuletzt vor 15 Jahren drei Würfe um die 50 Meter in einer Wettkampfserie hatte. Daß Heike Drechsler mit der Frankfurterin Sabine Richter dann in der Sprintstaffel den neudeutschen Wechsel verpatzte und dadurch die pfeilschnelle Moskauerin Irina Sergejewa, die über die 100 Meter kurz zuvor bereits Katrin Krabbe deutlich distanziert hatte, noch vorbeiziehen lassen mußte, war eigentlich nur der logische Schlußpunkt unter einen Tag der Niederlagen der sonst so überaus Erfolgreichen.

Nach dem ersten Tag lag dann auch die UdSSR (57 Punkte) vor den DLV-Frauen (54) in Front, obwohl an diesem Tag nur hochkarätige ehemalige DDR-Athletinnen am Start waren, die zusammen bereits mehr als zwei Dutzend internationale Titel aufzuweisen haben.

„Wir haben eine Bombenstimmung in der Mannschaft. Motivationsprobleme gibt es nicht“, wehrt Petra Meyer-Felke Fragen danach ab, ob ihr die Umstellung von Hammer und Zirkel auf den Bundesadler Schwierigkeiten bereite. Neben einem großen Trainingsrückstand aufgrund einer komplizierten Knieoperation im letzten Oktober richtet die frisch verheiratete 31jährige Weltrekordlerin (80,00 Meter), die in Frankfurt mit 63,18 Metern nur einen Versuch über der international eigentlich zweitklassigen 60 Meter- Marke hatte, ihre Saisonplanung vollkommen auf den Höhepunkt WM Ende August in Tokio aus. Wie ihre Kolleginnen ist Petra Meyer- Felke, die sich als Sportstudentin kurz vor dem Examen vormittags jetzt in einem Fitneßstudio in Jena ein Zubrot verdienen muß, zwangsläufig zu einer Individualistin geworden. Der Ruhm für die Nation, sprich ein Teamwettbewerb wie der Europacup, ist da, im Gegensatz zu früher, zweitrangig geworden.

Da die beiden Neubrandenburgerinnen Grit Breuer und auch Katrin Krabbe ebenfalls nur den Blick auf die WM richten, relativierten sich alle Fragen, die sich mit ihren Auftritten im Waldstadion beschäftigen.

„Warten wir die WM ab“, war auch die Parole von Ulf Timmermann, der zusammen mit dem zuverlässigen Weitsprung-Europameister Dietmar Haaf (8,30 Meter) die einzigen beiden deutschen Tagessiege perfekt machte und dafür sorgte, daß die DLV-Männer (53,5 Punkte) noch Kontakt zu den Briten (58) halten konnten. Timmermann, der mit 20,26 Meter das Kugelstoßen gewann, liegt wie seine Kollegen momentan gut zwei Meter hinter seiner Bestweite zurück. „Ich plage mich mit Hüftproblemen. Eigentlich hätte ich die Saison sausen lassen sollen“, kontert er hartnäckige Fragen zum Dopingproblem. „Ich bin in den letzten Monaten sechs bis acht Mal kontrolliert worden. Ich werde mich an keiner Dopingdiskussion beteiligen“, meinte der Berliner durchaus freundlich, aber bestimmt. Karl-Wilhelm Götte