INTERVIEW
: „Wir lassen nicht zu, daß der Ausweis für andere Dinge benutzt wird“

■ Horst Günther, Parlamentarischer Staatssekretär im Bonner Bundesarbeitsministerium, glaubt, mit dem Sozialversicherungsausweis die illegale Beschäftigung einzudämmen

taz: Schwarzarbeit reicht vom Fliesenleger, der am Wochenende ein Bad kachelt, bis zur kriminellen Vermietung auch gerade von ausländischen Arbeitnehmern. Wo setzt der Sozialversicherungsausweis an?

Horst Günther: Er soll da ansetzen, wo richtige Beschäftigung greift. Wenn der Fliesenleger am Wochenende irgendwo eine Terasse fliest, läßt sich das natürlich nicht überprüfen. Das wollen wir im Endeffekt auch gar nicht. Uns geht es um relativ lange Beschäftigungen, mehrere Wochen oder Monate und möglicherweise länger. Die müssen wir eindämmen, am liebsten natürlich ganz abschaffen.

Ich habe hier in Berlin mit einem Fahnder gesprochen, der enttäuscht ist, daß nur ein Teil der Ausweise mit einem Foto ausgestattet ist. Der Rest muß auch weiter seine Personalpapiere vorlegen. Wo bleibt denn da die Zeiteinsparung bei der Kontrolle vor Ort?

Wenn in jedem Sozialversicherungsausweis ein Foto eingeklebt ist, müssen sie ihn auch immer bei sich haben. Das war politisch nicht machbar. Deshalb ist dieser Kompromiß gefunden worden. Wenn sich der Ausweis in den entsprechenden Branchen bewährt, wo die Mitführungspflicht besteht, und wo ein Lichtbild die Identifizierung sofort ermöglicht, dann muß darüber nachgedacht werden, ob das auch für andere Bereiche eingeführt wird. Wir wollen aber erst die Erfahrungen abwarten.

Sie wollen also erst die Effektivität abwarten und dann das Konzept des Ausweises nachbessern?

Das ist bei allen neuen Maßnahmen so, daß der Gesetzgeber überprüfen muß, ob das eine richtige Entscheidung war. Insbesondere dann, wenn es völlig neue Wege sind. Wir sind überzeugt, daß alleine die Tatsache, daß dieser Ausweis nun eingeführt wird, viele schon vom Mißbrauch abhalten wird.

Es gibt die Befürchtung, daß durch den Sozialversicherungsausweis ein Drei-Klassen-System entsteht: Die mit Ausweis, die mit Ausweis und Foto und die ohne Ausweis...

Das hat mit Klassen nichts zu tun. Es ist eine rein praktische Handhabung, in den Bereichen einfach unterschiedlich zu verfahren, in denen die Anfälligkeit besonders groß ist. Wenn sich alle korrekt verhielten, brauchten wir gar nichts zu unternehmen. Das wäre uns am allerliebsten. Die Kritiker sollten erst einmal bessere Vorschläge machen.

Es wäre doch aber denkbar, daß sich ein Vermieter den Ausweis als Liquiditätsnachweis vorlegen läßt?

Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen, das wäre absurd. Wenn das bei der Wohnungsvergabe passieren sollte, müßte man natürlich aufklärend wirken.

Warum wird ein solcher Mißbrauch nach dem Gesetz nicht einmal mit einem Bußgeld geahndet?

Ich kann nur raten, daß sich jeder meldet, damit diese Dinge gar nicht erst einreißen. Sonst muß dagegen vorgegangen werden.

Sie halten also eine Diskriminierung beispielsweise von Sozialhilfeempfängern etwa bei der Arbeitssuche für ausgeschlossen?

Bei der Arbeitssuche muß der Ausweis natürlich vorgelegt werden, wenn jemand beschäftigt werden will. Das ist auch Sinn der Sache. Aber warum sollten Sozialhilfeempfänger diskriminiert werden? Das kann ich mir nicht vorstellen.

Wenn sich ein Sozialhilfeempfänger oder Arbeitsloser selbst einen Job suchen will, muß er ständig zum Amt rennen, um den Ausweis zu holen und ihn dann wieder zurückbringen und so weiter...

Ich glaube nicht, daß wir zulassen, daß der Sozialversicherungsausweis für andere Dinge als für den Erwerb eines Arbeitsplatzes benutzt wird. Alles andere ist absurd, ist nicht geplant und die Leute sollen das auch ablehnen, den Ausweis für irgendwelche anderen Zwecke vorzulegen. Interview: Frank Holzkamp