Daddy, mein Herz

■ Oberklassischer Jazz: Bennie Wallace mit seinem neuen Quartett bei DACAPO

Ein begeisterndes Konzert, von dem man in der kommenden sommerlichen Durststrecke lange wird zehren können. Der Tenorsaxophonist Bennie Wallace bewies in zwei langen Sets, daß Jazz auch dann noch lebendig und spannend klingen kann, wenn er auf avantgardistische Stilmischungen und andere Attitüden verzichtet. Anders als in den Bands von John Scofield und Chick Corea bleibt er in seiner neuen Gruppe immer streng im Rahmen des Hard Bop.

Bassist Bill Huntington, Schlagzeuger Alvin Queen und Gitarrist Jerry Hahn spielen auch viel traditioneller als etwa Dave Holland oder Jack DeJohnette. Aber die fest abgesteckten Grenzen füllten die vier Musiker mit so intensiven, persönlichen und melodisch reichen Soli, daß man nie, wie sonst bei klassizistischen Puristen vom Schlage eines Wynton Marsalis, das Gefühl bekam, sie spielten gemäß der reinen Lehre im kalten Elfenbeinturm.

Jerry Hahn war mit seinem schönen, warmen Ton auf der E-Gitarre der harmonische Gegenpol zu den expressiven, ausgedehnten Solostreifzügen von Wallace. Dessen stilistische Bandbreite reichte dabei vom kehligen Vibrato eines Ben Websters bei den Balladen über die temperamentvollen Staccati eines Sonny Rollins bis hin zu den improvisatorischen Ekstasen von Pharoah Sanders. Aber all diese Einflüsse sind bei ihm zu einem individuellen Ton verschmolzen, der in der Improvisation originelle Reichtümer erschließt.

Neben solch hochkarätigen Songs wie Billie Holidays „You changed“ oder der tangoähnlichen Komposition „Border Town“ adelte die Band in der Zugabe das Liedchen „My heart belongs to Daddy“. Als dessen auf ewig endgültige Interpretation hatte bisher die Aufnahme von Marilyn Monroe gegolten. Auch daraus machte Wallace mit seiner Band ein ironisch funkelndes Stück Jazz. Übrigens hat Radio Bremen das Konzert aufgenommen; alle die es verpaßt haben, können es zumindest im Radio hören. Dereinst im Herbst. Willy Taub