: Ausländerwahlrecht wieder in Gefahr
■ Staatsgerichtshof spricht am Montag das Urteil über neues Beirätegesetz / Ausgang völlig offen
Von der Öffentlichkeit unbemerkt hat am vergangenen Freitag der Bremer Staatsgerichtshof über die Verfassungsklage der CDU gegen das Ausländerwahlrecht für die Ortsamt-Beiräte verhandelt. Ob rund 16.000 BremerInnen fremder Paßfarben wie von der Bürgerschaft beschlossen am 29. September erstmals ihre Stimme abgeben können, ist danach völlig offen. Das Urteil wird am kommenden Montag verkündet.
Während der Verhandlung ließen weder der Vorsitzende Richter, Günter Pottschmidt, noch seine sechs Beisitzer ihre Rechtsauffassung durchblicken. Als weitestgehende Urteilsvariante ist damit sogar eine Erklärung
hier bitte die gefaxte
Karikatur
über die vollständige Ungültigkeit des neuen Bremer Beirätegesetzes möglich. Damit wäre nicht nur das Ausländerwahlrecht, sondern die gesamte Direktwahl der Stadtteilparlamente wieder vom Tisch.
Für wahrscheinlicher halten die Prozeßbeteiligten jedoch lediglich eine Entscheidung über den Bestand des Ausländerwahlrechtes. Würde es vom Staatsgerichtshof für verfassungswidrig erklärt, dann könnten nicht nur knapp vier Prozent aller Bremer Stimmberechtigten ihre Wahlbenachrichtungen wieder wegwerfen, sondern auch alle von den deutschen Parteien auf die Beirats-Wahllisten gewählten AusländerInnen würden wieder ge
strichen. Bei der SPD wären über zehn, bei den Grünen fünf KandidatInnen, und auch bei der FDP wäre ein Kandidat davon betroffen.
Nur die CDU hat als Gegnerin des Ausländerwahlrechts gleich ganz darauf verzichtet, BremerInnen anderer Nationalität einen Platz auf ihren Wahllisten zu geben. Vor dem Staatsgerichtshof hatte am Freitag der Verfassungsrechtler Prof. Josef Isensee die CDU-Position vertreten. Er war bereits am 31.10.90 in Karlsruhe erfolgreich, als dort vom Verfassungsgericht das kommunale Ausländerwahlrecht in Hamburg und Schleswig-Holstein gekippt wurde.
In Bremen wird jedoch nicht über ein volles kommunales Wahlrecht entschieden, da die Beiräte keine Gesetzgebungskompetenz haben und auch in ihren Haushaltsentscheidungen nicht unabhängig sind. Darauf wies der Prozeßvertreter des Senats, Prof. Dian Schefold von der Bremer Uni, hin. Trotz aller anderslautender politischer Erklärungen seien die Rechte der Beiräte auch nach dem neuen Gesetz so stark eingeschränkt, daß die grundsätzlichen Bedenken der Bundesverfassungsrichter gegen ein Ausländerwahlrecht auf die rein beratenden Bremer Stadtteilparlamente nicht anzuwenden seien. Notfalls solle der Staatsgerichtshof einen Formulierungsvorschlag für die Beirats-Rechte machen, der mit der Möglichkeit eines Ausländerwahlrechts vereinbar sei, schlug Schefold vor.
Genau dieser Ausweg, gerade gewonnene neue Beiratsrechte für das Ausländerwahlrecht wieder zu opfern, rief am Freitag die CDU auf den Plan. Sie forderte eine deutliche Stärkung der Bremer Lokalparlamente. Als kleinen Nebeneffekt hätte sie damit auch die Chance, zumindest auf Stadtteilebene in eine Machtposition zu kommen, die ihr in der Bürgerschaft noch nie vergönnt war.
Als „politische Mogelpackung“ wertete der Geschäftsführer der Grünen, Rainer Oellerich, die Position des Senats, das Wahlrecht von AusländerInnen mit dem Argument zu verteidigen, daß sie damit sowieso nur über die Zusammensetzung von letztlich bedeutungslosen Gremien mitbestimmen. Allerdings erkannte auch Oellerich die „Zwangslage“ an, in die der Senat durch die Karlsruher Grundsatzentscheidung gekommen sei.
Das Innenressort hat bereits vor einigen Wochen Informationsbroschüren über das Beirätewahlrecht in allen wichtigsten Einwanderer-Sprachen drucken lassen. Am Montag wird entschieden, ob sie jetzt womöglich wieder eingestampft werden müssen. „Wir sind auf jede Entscheidung vorbereitet“, versicherte der Pressesprecher des Innensenators, Kleen, gestern vorbeugend. Ase
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen