INTERVIEW
: „Wie im Süden, so auch bald im Norden“

■ Bruno Megret über die Erfolge der Front National in Marseille und die Einwanderungspolitik in Frankreich und der EG

Megret, 42, ist als „Delegué General“ nach Jean- Marie Le Pen die Nummer zwei in der Hierarchie der Front National. Er vertritt seine Partei als Abgeordneter im Europaparlament. Bei den Regionalwahlen im Frühjahr 1992 will Megret Präsident des Conseil Regional der Region Provence-Alpes- Côte d'Azur werden. Zur Zeit stellt die Front National dort als kleinerer Koalitionspartner von RPR und UDF den Vizepräsidenten.

taz: Nach der Niederlage Jean-Marie Le Pens bei den Bürgermeisterwahlen 1989 in Marseille liefen der Front National die Mitglieder weg. Wie sieht die Lage heute aus?

Megret: Die Front National hatte Schwierigkeiten in Marseille, aber die Krise ist vollständig überwunden. Wir sind hier schneller gewachsen als in anderen Städten, innerhalb weniger Jahre von null auf 25 Prozent. Das kann nicht ohne Schwierigkeiten gehen. Das Hauptproblem waren die Leute, die sich um die Bewegung kümmerten. Wir hatten Leute gewählt, die es nicht wert waren.

Was ist Ihr politisches Ziel in Marseille?

Unser Ziel ist es, die Region Provence-Alpes- Côte d'Azur zu gewinnen. RPR und UDF haben zur Zeit gemeinsam mit der Front National eine Mehrheit im Conseil Regional, und diese Mehrhheit wollen wir umdrehen.

Heißt das, daß Sie den Süden Frankreichs als Hochburg der Front National ausbauen wollen?

Was in Südfrankreich geschieht, erfaßt einige Jahre später auch den Norden des Landes. Einige der wichtigsten Probleme im Süden sind heute die Unsicherheit durch Drogen, Kriminalität und Aids. Die Öffentlichkeit wehrt sich dagegen, indem sie die Front National wählt. Wir glauben, daß wir, bevor wir an die Regierung kommen, die Macht in Südfrankreich bekommen werden. Im Süden sind wir eine Art institutionelle Plattform; das erlaubt uns, den Rest des Landes zu gewinnen.

Wieviele Mitglieder haben Sie denn zur Zeit?

Das kann ich nicht genau sagen, weil es für uns kein wesentlicher Indikator ist. National sind es ca. 80.000, in der Region 15.000.

Zur Zeit wird in Frankreich wieder intensiv über das Einwanderungsrecht diskutiert. Wie sehen Sie die Situation in Marseille?

Es handelt sich, um es in zwei Worten zu sagen, um eine Invasion und Kolonisierung. Wir haben es heute mit Ausländern zu tun, die nicht mehr nur für eine bestimmte Zeit hierherkommen, um zu arbeiten. Heute sind es Leute, die für immer kommen, ob sie Arbeit haben oder nicht. Sie kommen, um von den sozialen Vorteilen der französischen Gesellschaft zu profitieren. In Marseille gibt es, im Gegensatz zum Rest Frankreichs, eine Gemeinschaft von Maghrebinern, die sich organisiert und ihre eigenen Strukturen vorweist, mit Ärzten, Rechtsanwälten und Wirtschaftlern. Dadurch wird die französische Gesellschaft in ein Mosaik von verschiedenen Kulturen zersprengt.

Machen Sie eigentlich einen Unterschied zwischen neuen Einwanderern und solchen, die seit langem hier leben, und die sich integrieren wollen?

„Integration“ ist ein doppeldeutiges Wort. Früher sagte man dazu Assimilierung, und was das bedeutet, ist klar: Sich zu assimilieren, heißt, Franzose zu werden, den alten Namen abzulegen, vielleicht eine französische Frau zu heiraten, die Kinder französisch zu erziehen. Sich zu integrieren heißt, in Harmonie mit den Franzosen zu leben, aber nicht so zu sein wie die Franzosen. Wir sind gegen die Integrationspolitik. Wir denken, daß wir eine begrenzte Anzahl von Ausländern assimilieren können, auch Araber. Aber es gibt eine Toleranzgrenze, und die ist weit überschritten.

Und mit welchen Mitteln will die Front National die Einwanderungsprobleme lösen?

Jede weitere Einwanderung muß unterbunden werden. Wir haben Vorschläge auf fünf Ebenen. Erstens: Eine Änderung des Rechts auf politisches Asyl. Zur Zeit kommen jährlich 60.000 sogenannte politische Flüchtlinge nach Frankreich. In Wirklichkeit kommen sie aus wirtschaftlichen Gründen. Zweitens: Heimliche und illegale Einwanderer müssen zurückgeschickt werden. Es müssen praktische Maßnahmen getroffen werden, damit eine möglichst große Zahl ausgewiesen wird. Das ist kein technisches oder juristisches Problem, sondern eine Frage der politischen Courage. Drittens: Wir fordern eine Nationale Priorität für Franzosen und Bürger der Europäischen Gemeinschaft bei der Vergabe von Wohnungen, Arbeit und Sozialhilfe. Viertens: eine aktive Rückzugspolitik, keine Verlängerung von Aufenthaltsgenehmigungen, außerdem Hilfen für die Rückkehr von Ausländern in deren Heimatländer. Und schließlich eine Refornm des Code de la Nationalité, um der automatischen Herstellung der französischen Staatsbürgerschaft per Geburt entgegenzuwirken.

Sie sitzen als Abgeordneter der Front National im Europaparlament. 1993 sollen in Europa endgültig die Grenzen fallen. Paßt das zu Ihrer Einwanderungspolitik?

Wir sind dagegen, daß es zwischen den Ländern der Europäischen Gemeinschaft keine Grenzkontrollen mehr geben soll, denn das wäre eine neue Einwanderungsquelle. Wenn ein Staat weiß, daß Einwanderer nicht bei ihm bleiben, sondern in einen anderen Staat der Gemeinschaft gehen, wird er sie hereinlassen. Man kann Europa auch schaffen, ohne Grenzen abzubauen. Interview: Olaf Preuß