Neues Sozialhilfe-Modell der Grünen

■ Niedersachsens Grüne wollen die Höhe der Sozialhilfe künftig an die Einkommensentwicklung koppeln

Hannover (taz) — Die Sozialpolitiker der Grünen-Landtagsfraktion Niedersachsens streben eine grundlegende Reform der Sozialhilfe an. Dabei sollen bisherige Regelsätze durch eine an die Einkommensentwicklung gekoppelte Grundsicherung ersetzt werden. Sozialhilfeempfänger sollten demnach eine Grundsicherung in Höhe von 40 Prozent des durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens erhalten.

Nach einem Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), das die Grünen vorstellten, stünde nach dem neuen Modell einem alleinlebenden Sozialhilfeempfänger eine monatliche Grundsicherung von gegenwärtig 820 Mark zu. Die Kosten für die Warmmiete würde er noch zusätzlich vom Sozialamt erhalten.

Das Gutachten des DIW, das noch die grüne Bundestagsfraktion in Auftrag gegeben hatte, berechnet erstmals für das Gebiet der alten Bundesländer Höhe und Kosten der von den Grünen favorisierten Grundsicherung. Einem Zwei-Personen-Haushalt stünde danach zur Zeit eine Grundsicherung in Höhe von 1.230 Mark zu. Für jedes Kind unter 18 Jahren soll zusätzlich ein Kindergeld von 610 Mark gezahlt werden, das entspräche 70 Prozent der Sicherung eines Alleinlebenden. Abgesehen von der Warmmiete, die weiterhin das Sozialamt übernehmen soll, entfielen nach diesem Modell die verwaltungsaufwendigen einmaligen Leistungen. Nach dem Gutachten würden sich die Gesamtkosten für Hilfen zum Lebensunterhalt verdreifachen — von elf auf dreißig Milliarden Mark jährlich in den Alt-Bundesländern. Mit ihrem Grundsicherungsmodell wollen die Grünen nicht nur der „materiellen und soziokulturellen Ausgrenzung breiter Bevölkerungkreise“ vorbeugen, sondern auch die Möglichkeiten zur Manipulation und schleichenden Kürzung der Sozialhilfe endgültig beseitigen. Die Sozialhilfe sei die einzige soziale Transferleistung des Staates, die noch nicht an die allgemeine Einkommensentwicklung gebunden sei, sagte der Sozialpolitische Sprecher der niedersächsischen Landtags- Grünen, Pico Jordan. Daniel Kreutz, grüner Landtagsabgeordneter aus Nordrhein-Westfalen, nannte die bisherige Praxis der Bemessung der Sozialhilfesätze einen „organisierten Rechtsbruch“. Auch nach der Erhöhung der Sozialhilfe seit Juli liege der maßgebliche Eckregelsatz für alleinlebende Sozialhilfeempfänger mit durchschnittlich 470 Mark noch fünfzig Mark niedriger, als es das geltende Recht vorschreibe. So hätte die Ministerpräsidentenkonferenz, die für die Anpasssung der Sätze an die Lebenshaltungskosten zuständig ist, bei der Erhöhung eine zu geringe Preissteigerungsrate zugrunde gelegt. Und den Sozialhilfeempfängern werde weiterhin ein Drittel der Erhöhung vorenthalten. Jürgen Voges