„Kieselrot“-Dioxin ging nicht ins Blut

Blutuntersuchungen von Marsberger Bürgern ergaben keine ungewöhnliche Dioxinbelastung/ Für die 1.400 verseuchten Kieselrotflächen gibt es jetzt einheitliche „Handlungsempfehlungen“  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Die Bewohner im sauerländischen Marsberg können aufatmen. Das Dioxin aus der hochgiftigen Marsberger Kupferschlacke, die überall unter dem Namen „Kieselrot“ verkauft wurde, hat die Gesundheit der Menschen offenbar nicht im befürchteten Maße beeinträchtigt. Das geht aus den Ergebnissen der Blutuntersuchungen hervor, die Gesundheitsminister Hermann Heinemann in Marsberg vorstellte. Demnach wurden bei keiner der untersuchten Personen „über dem Normbereich liegende Werte festgestellt“. Die Durchschnittsbelastung der 21 Marsberger Probanden lag bei 29,5 Nanogramm pro Kilo Blutfett. Bei der Vergleichsgruppe aus dem westfälischen Steinfurt ergab sich ein durchschnittlicher Dioxingehalt von 22,2 Nanogramm. Der gemessene Höchstwert lag bei 50 Nanogramm. Nach Darstellung von Heinemann entspricht eine Belastung zwischen 4 und 80 Nanogramm dem „Normwert“. Die durchschnittliche Grundbelastung der Erwachsenen in der Bundesrepublik betrage dreißig Nanogramm pro Kilo Blutfett. Die Ergebnisse wertete Heinemann als Beleg dafür, „daß die Besorgnis der Marsberger Bevölkerung unbegründet ist“.

Im gesamten Bundesgebiet sind bisher rund 1.400 mit „Kieselrot“ gebaute Sport-, Spiel-, Tennis- und Schulhofplätze entdeckt worden. Inzwischen liegen von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Handlungsempfehlungen“ zum Umgang mit diesen Flächen vor. Demnach sind Kinderspielplätze ab hundert Nanogramm Dioxin pro Kilo Boden zu sanieren. Für Sportplätze wurde ein Richtwert von tausend Nanogramm pro Kilo festgelegt. Ein sehr umstrittener Wert, den etwa der Bielefelder Umweltdezernent Uwe Lahl „für zu hoch“ hält. Tausend Nanogramm pro Kilo liege im Konzentrationsbereich der Filterstäube der Bielefelder Müllverbrennungsanlage.

Ausreichende Deponie- und Entsorgungskapazitäten stehen den Ländern schon bei den jetzt festgelegten Grenzwerten nicht zur Verfügung. In frühestens drei bis vier Jahren sei mit den erforderlichen Anlagen zu rechnen, heißt es im Bericht der „Kieselrot“-Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Zur Gefahrenabwehr wird die ständige Befeuchtung oder die Abdeckung der verseuchten Flächen mit Kunststoffbahnen empfohlen. Kieselrotmaterial mit Dioxinkonzentrationen unter 10.000 Nanogramm könne auch „in gesonderten Bereichen „von normalen Mülldeponien“ zwischengelagert werden. Schlacke mit einem Dioxingehalt von mehr als 10.000 Nanogramm pro Kilo Boden darf nur in Extra-Bereiche von Sondermülldeponien verbracht werden. Wie viele Tonnen insgesamt anfallen, steht dahin. Auf vielen Bolzplätzen sind Belastungen von bis zu 80.000 Nanogramm pro Kilo gemessen worden.