Oh Bi, oh Ba — Koniec Polska Kinematographica

■ Kino im Polnischen Institut für Kultur

Der Ikarus braust vorbei. Die Leute schlendern vorbei. Für Betonnesthäkchen hat das Café Atrium — gleich nebenan — sein Trottoir geputzt. Wer hier sitzt, sitzt wie in Manhattan, nur nicht so weit weg. Dazwischen eine große leere Glasfront. Hier ist ein Kino.

»Oh Bi, oh Ba, Koniec Ziwilisazia« hieß der Film, für den sich im Winter 1987 die Kino-Szene vor dem Polnischen Pavillon anstellte, manchmal bis zu einer Stunde. Allerdings war es nicht sehr einfach hineinzugelangen. Einladungen waren vorher verteilt worden, die Sitzplätze wurden numeriert, und viele Enthusiasten mußten trotz mehrmaliger Wiederholung des Films letzendlich doch enttäuscht nach Hause gehen. Immerhin war der Film vom Ende der Zivilisation wohl der erste postatomare Streifen, der in der DDR gezeigt werden durfte.

Das langgestreckte Gebäude mit den polnischen Adler an der Front, der großen Plakatgalerie im Erdgeschoss und der Handbibliothek im zweiten Stock, befindet sich in der Ostberliner Karl-Liebknecht-Straße 7, Nähe Alexanderplatz und Fernsehturm. Als Mittler zwischen der in den 70ern regen polnischen Kulturszene und der ausgehungerten Intelligenzia in Ostberlin fand der Pavillon gerade im Kinobereich schnell ein Stammpublikum. Wajda-Filme wurden im Original gezeigt — oder gar in Erstaufführung —, Zanussi- Streifen waren präsent und wurden oftmals simultan eingesprochen. Das Programm war zudem augenfällig auf ein deutsches Publikum zugeschnitten: Das Kino versuchte Streifen zu zeigen, die die offizielle Kulturpolitik der DDR ansonsten nicht bereit war, aus den Archiven hervorzuholen.

Doch die (Ost-)Berliner Kulturlandschaft hat sich verändert. An antistalinistischen Aufarbeitungsfilmen hat offensichtlich niemand mehr Interesse, und die wirklich guten Streifen polnischer Produktion sind allemal bekannt. Das neuer polnische Kino (zumindest das, was man zu sehen bekommt) schlägt andere Töne an. Schon Wajda ist mit seinem letzten Film sentenziöser und humoriger geworden. Regisseure wie Juliusz Machulski mit »Sex Mission« setzen seit längerem unverhohlen auf Klamotte oder versuchen mit Gesellschaftkomödien den knüppelharten polnischen Alltag zu domestizieren. Da man den Problemen mit dem gewohnten didaktischen oder aufklärerischen Ansatz (»Hauptmann Kloss«) und auch mit verklärenden Monumental-Schinken eines Jerzy Hoffman (»Sintflut«) nicht mehr künstlerisch gerecht werden konnte, produzierte man ab Anfang der 80er jede Menge Klabauz, der dann auch in den DDR-Kinos zu sehen war.

Die sich langsam abzeichnende Imageänderung des polnischen Kinos — wie der gesamten polnischen Kultur — hatte folgerichtig auf das stabilste Standbein den polnischen Pavillon zuerst Auswirkungen. So recht vermochte sich niemand mehr für die großformatige Plakatkunst aus Polen zu interessieren, ebenso ließ die Nachfrage nach polnischem Design nach, und das Kino — bis dahin gut besucht — begann zu verenden.

Nach der Vereinigung schwammen dann auch den Organisatoren die letzten treuen Kinofische davon, worauf die multikulturellen Netze leer eingeholt werden mußten. In Ostberlin scheint das allerdings noch niemande aufgefallen zu sein. Höchstens den Polen. Zuerst änderte man den Namen in »Polnisches Institut für Kultur und wissenschaftlich-technologische Information in Berlin«. Das Kino wurde reduziert auf eine Vorstellung pro Woche, und man besann sich auf das eigene (sprich: polnische) Publikum — in Ermangelung eines anderen. Zusehen sind mittlerweile lediglich Filme in Originalfassung, die nach Bedarf — wie bei Wajdas »Asche und Diamant« — eingesprochen werden können. Ansonsten setzt das Kino auf bewährte Unterhaltungsdragees: Am 9.Juli Roman Zalunskis Komödie »Kogel-Mogel«, in der es um das Thema der Stadtflucht der ländlichen Bevölkerung geht, und am 27.August Wladislaw Szareks Komödie »Mow mil Rockefeller«, in der Warschau zum großstädtischen Moloch gleich New York wird — alles natürlich spaßig angemacht, versteht sich.

Nun tritt erst einmal die obligate Sommerpause in Kraft, was nichts bedeuten soll, bewahre. Aber irgendwie scheint dennoch der Kontakt zum Publikum verloren gegangen zu sein, wobei zur Erklärung dieses Gedankens noch nicht einmal das dürftige Kinoprogramm vorgelesen werden bräuchte. Allemal schade wär's um das sich in exponierter Lage befindende Kino und seine anderen Kultureinrichtungen.

Da das Kino passable Räumlichkeiten bietet, wird es zusätzlich mit Theateraufführungen und Musikabenden genutzt. Empfohlen werden kann an dieser Stelle die Veranstaltungsreihe der Chopin-Gesellschaft im Polnischen Pavillon (Klimper, Klimper). Handloik