Geht Henning Scherf ins Kino?

■ taz-Spots auf die Bremer Filmszene, Teil 2: Gespräch mit Detlef Ziegert, CON-Film, über Filmpolitik: Filmkultur als Sozialfall?

Detlef Ziegert ist eine Art Verbindungsmann der Bremer Filmszene. Sein CON-Film-Verleih betreut schwerpunktmäßig Dokumentarfilme aus und über die „Dritte Welt“, u.a. die Filme Gordian Troellers. In seiner „Freizeit“ engagiert er sich aber weiter: ist im Vorstand des Kommunalkinos, ist Mitglied im Bremer Filmbüro-Verein, aktiv in der IG Medien, ihrer Verbandsgruppe Film und außerdem im medienpolitischen Arbeitskreis der IG Medien gesprächig.

taz: Wie alt sieht Bremen als Filmstadt aus?

Detlef Ziegert: Ich glaube, daß heutzutage eine nur lokale Betrachtung nicht mehr möglich ist. Das siehst du daran, daß jeder Ort ein Medienstandort werden möchte. Es gibt davon aber nur vier: München, Hamburg, Berlin, Köln. Es ist völlig unmöglich, Versäumnisse von 10-20 Jahren mit so'n paar Mark nachzuholen, wie Bremen sie in der Filmförderung ausgibt: dieses Jahr erstmalig insgesamt 100.000 Mark, 'ne Art Beruhigungspille im bundesweiten Vergleich. Die Bremer, die da nun zwischen 2.000 und 24.000 Förderung bekommen haben, müssen jetzt kucken, wo sie die restlichen Gelder herkriegen. Wenn sich Bremen mit Bundesverhältnissen vergleicht, war es immer im letzten Drittel. Jetzt will es ins Mittelfeld vorstoßen. Das geht sehr schwer. Und die industriellen Voraussetzungen sind gleich Null.

Wir haben z.B. bei Radio Bremen ein ganz kleines Kopierwerk, wo ich jetzt nach zwei Jahren das erste Gespräch mit der Wirtschaftsförderungsanstalt zustande gekriegt hab, nach zwei Jahren! Das hat mir die Kultur nie geglaubt, daß, bevor man Förderung macht, auch mal gekuckt werden muß, industrielle und materielle Strukturen zu festigen. Meine Hoffnung ist dabei, daß es

Detlef Ziegert: „Dahinter steckt das Mißtrauen der Politik in die Szene“Foto: Jörg Oberheide

gelingt, dem Kopierwerk eine technische Ausstattung zu geben, die es für Projekte auch außerhalb Radio Bremens interessant macht.

Vorausgesetzt, Radio Bremen will wollen...

Richtig, die oberste Etage hat leider nur einen Gedanken: was bringt es Radio Bremen.

Verharren wir mal auf der Eigen- Initiative: 1989 gab es in Bremen zum ersten Mal ein kleines Film- Festival, organisiert u.a. von Filmbüro und KoKi, die „Tage des unabhängigen Films“. Wo sind sie geblieben?

Es entstand die Frage, wie man sowas kontinuierlich aufbaut. Ich hab' dabei die Streßseite vertreten, also zügig rangehen und Feh

hierhin bitte

das Porträt-Foto

(Mann im Halbdunkel)

ler einkalkulieren...

Aber das nächste Festival ist nicht in Sicht.

Wir vom KoKi hatten ein Modell vorgeschlagen, das Festival auf der Basis einer Vereinskooperation zwischen Filmbüro und KoKi laufen zu lassen. Aber aufgrund finanzieller Schwierigkeiten hat das Filmbüro die organisatorische Verantwortung abgelehnt; und zur Zeit überdenkt das KoKi, ob es die Verantwortung alleine tragen kann.

Wie diffus bzw. stark ist die Szene?

Meine Analyse ist folgende: vor drei Jahren, als die Initiative Filmkultur und das Filmbüro Ansätze angeboten haben, die noch nicht ganz professionell waren,

zu diesem Zeitpunkt hat der Bremer Senat in Form einer Freundschaft zwischen Herrn Euler und Herrn Wedemeier den Weg dieses BIFF kreiert, des Bremer Instituts Film/Fernsehen. Man wollte das Intendanten- und Chefmodell statt dem eher demokratischen, bunten Modell. Wenn man die Mittel, die allein Herrn Mitscherlichs Personalkosten (neben Hans-Helmut Euler und Helke Sander künstlerischer BIFF-Direktor / C.K.) erfordern, auch nur zur Hälfte dem Filmbüro zur Verfügung gestellt hätte, hätte sich hier ähnlich wie in Hamburg eine gute Arbeit ergeben. Was einen ein bißchen verzweifelt macht. Wieso war es eigentlich nicht möglich, alle an einen Tisch zu

bringen? Warum ist ohne Rückkoppelung dieses gut ausgestattete Institut hingesetzt worden, das sofort ein Machtfaktor war? Das hat wahnsinnigen Frust ausgestrahlt auf alle anderen.

Die hiesige Kulturpolitik wird etwas damit beabsichtigt haben.

Dahinter steckt das Mißtrauen der Politik in die Szene. Man möchte lieber parteipolitisch eingebundene Leute und Managertypen. Und das Filmbüro hat keine taktische Kraft gegen das BIFF.

Gibt es Treffen zwischen beiden?

Man trifft sich schon mal, und dann polarisiert sich das sofort. Da gibt es natürlich Verwundungen, wenn du nicht weißt, wovon du morgen deine Miete bezahlst und dann sitzt dir jemand gegenüber, dessen Gehalt in Ordnung ist und der überall mitentscheiden kann. Ich möchte lieber mal die Filme ansehen, die dieses Institut produziert, die huckepack auf SAT 1 laufen.

Gibt es Kontakte zum regionalen Fernsehen, also zu „Buten & Binnen“ oder zum Bremer Vorabendprogramm?

Kaum. Da kommen nur traditionelle Argumente und Geringschätzung: Amateurfilmer!! Die Leute machen sich nicht mal die Mühe, die Sachen anzukucken.

Kommen wir mal zu den verantwortlichen Politikern...

Ich erinnere mich gut an unseren Antrittsbesuch vom KoKi bei Henning Scherf. Mein Vorschlag war: wir kommen mal nicht mit Geldforderungen, wir kommen spaßeshalber mal mit der Sache. Also haben wir ihm die erste Frage gestellt: Henning Scherf, gehen Sie ins Kino? Sagt er: nee, aber meine Frau. Das gleiche bei Manfred Fluß (Sprecher der Kulturdeputation). D.h. die Entscheidungsträger sind unsicher, was das denn überhaupt ist. Und dann ist die Stammtischnummer natürlich immer die beste Nummer, darüber zu reden.

Das ist doch aber ein hübscher Aberglaube, Kulturbeamte wüßten etwas von Kultur! Da schicken sie ihre Frauen hin.

Es gibt doch mittlerweile in NRW oder Hamburg Kulturbeamte, die sogar auf Festivals gehen oder mal ein Ding drehen! Ich hatte aber bei Herrn Scherf die ganze Zeit das Gefühl, er hat sich gewundert, warum wir keinen Finanzplan dabeihatten. Er hat nicht begriffen hat, daß wir einen Komplizen wollten! Aber das ist schon daran abzulesen, wie schlecht die Projekte funktionieren. Beispiel Filmbüro, mit vierfünf ABM-Stellen gefördert; Beispiel Walle, das Medienzentrum. Das sollte doch das Defizit ausgleichen, das durch das BIFF geschaffen wurde. Das ist seit zweidrei Jahren ein einziger Streß.

Wann isses denn endlich soweit?

(lacht herzlich) Würd' ich auch gern wissen. Es war ja geplant, daß Film-Projekte Räume bekommen etc., wir vom KoKi haben in Erwartung eines richtigen Kinos fünf Stellen erstritten, ein Team aufgezogen, um in Walle operieren zu können. Es kommt aber zu nichts, weil es einen Knatsch gibt zwischen den Partnern hier und einer Investoren- und Immobiliengruppe in Frankfurt.

Denen sind Versprechungen gemacht worden, wenn sie gleichzeitig ein bißchen in Kultur machen. Tatsache ist: das ist immer noch 'ne Baustelle. Wenn das jetzt nicht Ende August steht, spielt das KoKi nicht mehr mit. Das ist alles ein großer Murks. Interview: Claudia Kohlhase