Schelte aus Brüssel für Sony-Deal?

■ Sony-Geschäft wird wahrscheinlich ein Fall für die EG-Kommission/ Wirtschaftssenator hatte den »Billigpreis« als angemessen verteidigt/ Senat fürchtet bereits EG-Kritik wegen Daimler-Benz

Berlin. Der Grundstücksverkauf an Sony wird wahrscheinlich ein Fall für die Wettbewerbshüter in Brüssel. Es sei »zu erwarten«, daß die EG- Kommission das gleiche Kontrollverfahren einleiten werde wie nach dem Geschäft mit Daimler-Benz, sagte gestern ein Beamter der Wettbewerbsabteilung der EG-Kommission zur taz. Wenn öffentliche Grundstücke unter ihrem Marktwert verkauft würden, müsse die Kommission »auf jeden Fall« tätig werden.

Vor einer Woche hatte Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) der Sony Corporation ein gut 30.000 Quadratmeter großes Grundstück am Potsdamer Platz verkauft. Der Quadratmeterpreis von 3.240 Mark war von Pieroth und Sony als angemessen verteidigt worden. Dagegen hatten ihn selbst SPD und CDU als »Billigpreis« kritisiert.

Ärger mit Brüssel muß die Stadt auch im Fall Daimler-Benz befürchten. Im Senat wächst die Sorge, die EG könnte in dem hierzu bereits Ende Februar eingeleiteten Verfahren zu dem Ergebnis kommen, daß der Senat zu billig verkauft habe. Daimler würde dann zu einer Nachzahlung verdonnert. »Ich weiß nicht, was da rauskommt«, bekennt Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD). Er ist sich zwar immer noch »sicher«, daß der Senat mit dem vor einem Jahr vereinbarten Kaufpreis »keine Beihilfe an Daimler-Benz gegeben hat«. Es sei aber durchaus unsicher, ob die EG dies genauso sehe. Hinter dem heutigen Status der Stadt als Hauptstadt und künftigem Regierungssitz könne durchaus »verblassen«, daß die Verhandlungen mit Daimler zu einem Zeitpunkt abgeschlossen worden seien, als die Stadt formell noch geteilt war.

Der Daimler-Konzern mußte, wie mehrfach berichtet, für seinen Bauplatz am Potsdamer Platz einen Quadratmeterpreis von 1.505 Mark bezahlen. Auf Bitten der EG wird zur Zeit ein zweites Gutachten über den damaligen Wert des Grundstücks erstellt. Mit einem Ergebnis sei in diesen Tagen zu rechnen, sagte Joachim Grothe von der Senatsbauverwaltung zur taz. Die neue Expertise gehe der EG zu, die dann die eigentliche Prüfung des Falls folgen lasse.

Ob das Resultat des Zweitgutachtens wesentlich von dem abweicht, was die Mitarbeiter der Senatsbauverwaltung vor einem Jahr ermittelten, ist freilich offen. Die neue Expertise wird zwar von dem formell senatsunabhängigen Gutachterausschuß für Bodenwerte erstellt, dem auch unabhängige Experten angehören. Einige Mitglieder dieses Ausschusses sind jedoch identisch mit den Senatsbeamten, die auch die senatsinterne Wertermittlung vorgenommen hatten. Senatsfachmann Grothe zum Beispiel betreut sowohl die Senats-Wertermittlung als auch — zur Zeit kommissarisch — die Geschäftsstelle des Gutachterausschusses. Eigentlich sei das, bekennt Grothe, »ein Problem.«

Für die Brüsseler Wettbewerbshüter könnten am Ende jedoch ganz andere Gesichtspunkte ausschlaggebend sein, fürchtet man im Rathaus Schöneberg. Dort erinnert man daran, daß die EG derzeit neben dem »Fall Daimler« auch die Ansiedlung eines Toyota-Werks in der englischen Grafschaft Derbyshire überprüfe. In Brüssel kursiert angeblich bereits die Prognose, der zuständige EG-Kommissar Leon Brittan werde Daimler und Senat unter einer bestimmten Voraussetzung auf jeden Fall einen Verstoß gegen EG-Recht vorwerfen: nämlich dann, wenn Toyota und die britischen Behörden ebenfalls für schuldig befunden werden. hmt