Blut und Spiele für die Massen

■ Norman Jewisons viriler Brutalo-Klassiker „Rollerball“, 22.45 Uhr, West3

Der 1926 in Toronto geborene Kanadier Norman Jewison hatte bereits Schinken wie Jesus Christ Superstar gedreht, als er Anfang der 70er William Harrisons Kurzgeschichte „Rollerball Mörder“ im 'Esquire‘ las. Dort denkt ein an der Universität von Arkansas lehrender Professor für „kreatives Schreiben“ über das Jahr 2018 nach. Anfang des nächsten Jahrhunderts, sinniert er, gibt es keine Kriege mehr, weil es die dazu notwendigen Staaten nicht mehr gibt. Unnötig Geld verschlingende Regierungsapparate sind verschwunden. Ihre Aufgaben werden von multinationalen Konzernen wahrgenommen. In Ermangelung von Kriegen, quasi als eine Art Ersatzprogramm zur staatstragenden Abfuhr antisozialer Gefühlsregungen, wird auf der ganzen Welt ein live übertragener, blutrünstiger Gladiatorensport, nämlich Rollerball betrieben.

Das ist zwar reichlich an den Haaren herbeigezogen, die filmische Darstellung dieses definitiven Körperkontakt-Spiels — eine rüde Mischung aus Hockey, Football, Boxen, Judo und Rollschuhlaufen — versprach jedoch eine Menge Action bei halbwegs sinnvoller Verpackung. United Artists sagten sofort zu und schickte den Regie-Routinier nach München, wo das gerade fertiggestellte, schwer futuristische BMW-Hochhaus die Kulisse für das Hauptquartier von „Huston Energie“ abgeben sollte. Überhaupt wurde 1972 in München zwecks Fertigstellung des Olympischen Dorfes eine Menge Beton verschalt, den man heute in Rollerball (1974) als Kulisse einer durchgestylten Hollywood-Zukunftsphantasie bestaunen kann.

Der Plot ist in Form einer Spartakus-Adaption gestrickt. Jonathan E. (James Caan) ist der Champion im Team von „Huston Energie“. Indem er seine Mannschaft immer wieder zu neuen Siegen führt, beginnt er den „Sinn“ des Spiels zu unterlaufen. Die Mediengladiatoren sollen nämlich einfach nur draufgehen. Identifizieren sollen sich die zu Hooligans umfunktionierten Massen mit der Mannschaft — mit dem überpersönlichen System. Ein letztes Zucken des brachialen Hollywood-Antikommunismus.

Aber, der Träger der nicht gern gesehenen Botschaft der Individualität ist längst zu poulär, als daß er einfach umkommen könnte. Um einer unliebsamen Legendenbildung vorzubeugen, will ihn der „Energie“- Boß Bartholomew (John Houseman) am Schauplatz seiner Triumphe kaltstellen. Die ohnehin großzügig gesteckten Regeln des Spiels werden ganz eingestellt. Das Ganze läuft, wie sollte es anders sein, auf eine hervorragend fotografierte Metzelei hinaus. Jonathan schlägt „das System“ mit den eigenen Waffen und macht uns klar, daß eine noch so verkorkste, totalitäre Zukunftsgesellschaft nicht verloren ist, solange ein Mann, ein guter Amerikaner vorzugsweise, „tut, was getan werden muß“.

Rollerball ist ein futuristic-game- movie, das zu einer Zeit entstand, als die dumpfen Ausstattungsschinken der 60er nicht mehr zogen und die technischen Möglichkeiten der animierten Kinderstube (Lucas, Spielberg) noch nicht entwickelt waren. Ungewöhnlich für einen Actionfilm konterkarriert John Sebastian Bachs pastoral asketische Toccata d-Mol den Blick auf die Arena, die Münchner Olympia-Basketball-Halle. Zwischen den Action-Szenen gibt es eine Menge absurdes Theater. Der WDR zeigt einen längeren (120 min) Ausschnitt des 125 Minuten dauernden Films. Manfred Riepe