Europa-betr.: Diverse europapolitische Berichte, taz vom 21. bis 26.6.91

betr.: Diverse europapolitische Berichte, taz vom 21. bis 26.6.91

Die jüngsten europapolitischen Entwicklungen im Rahmen der KSZE legen immer mehr den Verdacht nahe, daß diese Einrichtung nicht nur unbestritten positiven Zwecken dienen soll: Verhinderung von Kriegen in Europa, Sicherung der Menschenrechte und so weiter. Für die USA scheint sie zusätzlich zur Nato ein zweites Instrument zu werden, mit dessen Hilfe sie anscheinend einen dominierenden politischen Einfluß über ganz Europa erlangen wollen: Mr.Baker geht nach Jugoslawien, um auf den Fortbestand dieses Staates hinzuwirken und später aus Washington sibyllinisch mit dem Stichwort „Sarajewo“ eine neue „Weltkrieg-I-Gefahr“ zu beschwören; Bessmertnych warnt vor einer Unterordnung der KSZE unter die Nato; zu Recht kommentiert Erich Rathfelder den Besuch des amerikanischen Außenminister in Albanien, daß dieses Land zum neuen „US-Stützpfeiler im Balkan werden“ könnte; last but not least sucht US-Verteidigungsminister Cheney unter dem Motto „Partner in der Führerschaft“ Deutschland zum Komplizen einer fortdauernden US-Hegemonie in Europa zu machen und ermahnt die EuropäerInnen, ja keine eigene Verteidigungsorganisation außerhalb der Nato zu entwickeln.

Genau das sollten sie jedoch tun! Hierfür bietet sich die Westeuropäische Union (WEU) an. Die USA sind eine Weltmacht im Niedergang. In diesen Prozeß darf Europa sich nicht hineinziehen lassen. Deshalb muß die Nato dergestalt umgeformt werden, daß an die Stelle der bisherigen Unterordnung der europäischen Mitgliedstaaten unter die USA die Eigenständigkeit eines Partners Europa tritt mit der Möglichkeit einer Lösung der atlantischen Bindung. Jetzt muß man/frau eindeutig für den auf einer ähnlichen Linie operierenden französischen Staatspräsidenten Mitterand optieren und gegen das Gespann Wörner/Stoltenberg, die mit deutlich erkennbarer antirussischer Tendenz Europa weiterhin den USA unterordnen wollen. Lutz Roemheld, Fröndenberg