Mandela hält an Sanktionen fest

Scharfe Kritik an Südafrikas Regierung auf ANC-Konferenz/ „Sie reden von Frieden, während sie in Wirklichkeit Krieg führen“/ Neues Abkommen zwischen ANC und Regierung dementiert  ■ Aus Durban Hans Brandt

Die Sporthalle der Universität Durban-Westville ist mit farbenprächtigen Transparenten geschmückt, auf denen Szenen aus dem täglichen Leben Südafrikas dargestellt werden. Afrikanische Trommelwirbel und gellende Freudenrufe begrüßen die Mitglieder der ANC-Exekutive, die hier zur Konferenz des „Afrikanischen Nationalkongresses“ eintreffen. Mit 2.500 Delegierten, 300 internationalen Gästen aus über 50 Ländern und mehr als 400 Journalisten ist dies die wohl größte derartige politische Veranstaltung, die es je in Südafrika gegeben hat.

Die offizielle Eröffnung der Konferenz unternahm gestern Erzbischof Trevor Huddleston, Vorsitzender der Antiapartheidbewegung in Großbritannien. Huddleston, der in den fünfziger Jahren enger Freund von Mandela und ANC-Präsident Oliver Tambo war, verurteilte die Aufhebung von Sanktionen gegen Südafrika. „Die Länder, die als letzte Sanktionen verhängt haben, sind jetzt die ersten, die sie wieder aufheben wollen“, sagte er. „Ihre Motivation ist Gier und der Wunsch, Profite zu machen.“

Ähnlich äußerte sich Nelson Mandela, Vizepräsident des ANC, in seiner Rede. Der Erosionsprozeß, der im Bereich der gegen Südafrika verhängten Sanktionen eingesetzt habe, müsse aufgehalten werden, sagte der ANC-Führer. „Wir sollten diese Waffe nicht verlieren, bis eine demokratische Verfassung in Kraft tritt.“ Gleichzeitig müsse die internationale Gemeinschaft darauf vorbereitet werden, Südafrika in Zukunft bei der Rekonstruktion des Landes zu helfen.

Mandela warf der südafrikanischen Regierung erneut vor, Gewalt gegen den ANC zu tolerieren, um dessen Verhandlungsposition zu schwächen. „Wir werfen dem Pretoria-Regime vor, daß es eine doppelte Strategie verfolgt“, sagte Mandela. „Sie reden von Frieden, während sie in Wirklichkeit Krieg führen.“ Die Regierung sehe wie gelähmt zu, während Teile der Sicherheitskräfte Gewalt gegen die Bevölkerung schüre. „Wir können nicht zulassen, daß diejenigen, die Gewalt schüren, den Prozeß der demokratischen Transformation verzögern.“

Gleichzeitig warnte der ANC-Vizepräsident jedoch, daß der Verhandlungsprozeß mit der Regierung zügig zum Ziel gebracht werden müsse. „Wir fordern unsere Freiheit jetzt!“, sagte Nelson Mandela vor den Delegierten. „Es ist nicht im Interesse der Massen, die wir vertreten, die Übergabe der Macht an das Volk zu verzögern.“ Als nächsten Schritt im Verhandlungsprozeß wiederholte Nelson Mandela den Wunsch des ANC, eine Allparteienkonferenz einzuberufen. Dies müsse „sobald wie möglich“ geschehen, um Grundlagen für eine demokratische Verfassung und Einzelheiten über eine Übergangsregierung und das Forum zur Ausarbeitung einer Verfassung zu diskutieren. Vor diesem Hintergrund müsse der ANC seine organisatorischen Kapazitäten verbessern, seine politischen Positionen festlegen. Bei der Rekrutierung von Weißen, Mischlingen und Indern habe der ANC bisher wenig Erfolg gehabt.

Differenzen zwischen dem ANC und der Regierung wurden am Vorabend der Konferenz betont, als Präsident Frederick de Klerk in einer Erklärung ein endgültiges Abkommen mit dem ANC über die Freilassung politischer Gefangener ankündigte. „Das ist unwahr“, hob Mandela gestern hervor. „Wir lehnen de Klerks Erklärung vollkommen ab.“

In seiner Ansprache ging Mandela nicht auf die bevorstehenden Exekutivwahlen des ANC ein. Stattdessen warf er den Medien vor, die Bildung von Fraktionen innerhalb des ANC angeregt zu haben. Es ist in den letzten Wochen intensiv spekuliert worden, daß die Wahlen eine Konfrontation zwischen militanten und gemäßigten Kräften sein werden. Gewählt wird am Donnerstag und Freitag. Ergebnisse sollen erst am Samstag zum Abschluß der Konferenz bekanntgemacht werden.

ANC-Präsident Oliver Tambo, der vor zwei Jahren einen Schlaganfall erlitt, blickte in seiner Eröffnungsrede auf die 79jährige Geschichte des ANC zurück. Tambo hat sich von seinem Schlaganfall nicht vollkommen erholt. Es wird erwartet, daß er als Ehrenpräsident des ANC in den Ruhestand gehen wird, während Mandela das Amt des Präsidenten übernimmt.

Die Touristenstadt Durban ist indessen bis zum Überlaufen voll. In der ganzen Stadt ist kein Hotelzimmer oder Mietwagen aufzutreiben. Mehrere Hotels sind zu Dienstleistungsbetrieben für die ANC-Konferenz geworden. Für viele weiße Südafrikaner wird die ANC-Konferenz allerdings erst am Wochenende wirklich zur Irritation werden: Am Samstag findet hier das bekannteste Pferderennen Südafrikas statt — und ein großer Teil der modischen Gäste wird in Durban keine Unterkunft finden.