Schwere Kämpfe im Libanon

■ Heftige Artilleriegefechte südlich von Sidon/ Tote und Verletzte auf beiden Seiten/ Guerilleros sollen Waffen abgeben und in Lager zurückkehren

Sidon/Tel Aviv (afp/dap/taz) — Die libanesische Armee hat am Dienstag nach schweren Kämpfen Stellungen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) südöstlich der Hafenstadt Sidon gestürmt. Die Artillerie der Regierungsstreitkräfte beschoß außerdem Posten der rund 5.000 PLO-Kämpfer bei den Flüchtlingslagern Mieh Mieh und Ain al-Hilweh. Die noch in der Nacht mit Spezialeinheiten auf 10.000 Mann verstärkten Armeeverbände waren am Vortag in den Süden des Libanon vorgerückt, um auch hier nach 16 Jahren Bürgerkrieg die Regierungsgewalt durchzusetzen.

Aus Armeekreisen verlautete, neben automatischen Waffen seien Mörser und schwere Artillerie eingesetzt worden. Nach ersten Militärangaben wurden bislang 16 Palästinenser verwundet und 44 getötet, während es auf seiten der Armee einen Toten und 14 Verletzte gab. Krankenhäuser teilten mit, außerdem seien 30 verletzte palästinensische Frauen und Kinder eingeliefert worden.

Am Montag abend war die libanesische Armee auf Sidon und von dort aus nach Salhije vorgerückt, hieß es aus dem Verteidigungsministerium. In Salhije, etwa fünf Kilometer östlich von Sidon, war es bereits am frühen Montag abend zu Gefechten gekommen. In den Dörfern Kraije und Dschinsnaja, in den Hügeln östlich von Sidon, wo in den Lagern Ain al- Hilweh und Mieh Mieh rund 100.000 palästinensische Flüchtlinge leben, traf die Armee auf entschlossenen Widerstand der palästinensischen Guerilla, die hier ihren letzten großen Stützpunkt auf libanesischem Boden hat. In schweren Haus-zu-Haus-Kämpfen versuchten 9.000 Soldaten der libanesischen Armee am Dienstag, den Widerstand der palästinensischen Guerilla gegen ihre Entwaffnung zu brechen. Schwarze Rauchwolken hingen über dem Kampfgebiet.

Die PLO hat am Dienstag morgen wegen der Kämpfe einen „dringenden Appell“ an die Arabische Liga gerichtet, in dem ein Ende der „Aggression gegen palästinensische Stellungen und Lager“ verlangt wird. Der politische Verantwortliche der PLO im Libanon, Said Wehbe, hatte zuvor in einem Kommuniqué „zu sofortigen Kontakten zwecks Herstellung eines Waffenstillstandes und zur Aufnahme eines Dialogs zwischen der libanesischen Regierung und der PLO“ aufgerufen. Er sprach von einem „Massaker an Palästinensern“. Die Blutbäder von Sabra und Schatila würden damit wiederholt.

Die PLO steht der Stationierung libanesischer Einheiten im Südlibanon zwar grundsätzlich positiv gegenüber, sie will die Bedingungen für die Anwesenheit von rund 400.000 palästinensischen Flüchtlingen im Libanon allerdings durch ein Abkommen regeln. Entsprechende Verhandlungen mit der libanesischen Regierung sind jedoch bislang ohne Ergebnis geblieben.

In Israel ist man der Ansicht, daß die libanesische Armee kaum in der Lage sein wird, den Südteil des Landes vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen. Die israelische Regierung hat jedenfalls nicht die Absicht, die von ihr beanspruchte „Sicherheitszone“ im Südlibanon, die bis zum Awali-Fluß und nach Jezzin reicht, aufzugeben. Bewaffnete Verbände, außer den eigenen und denen der von Israel finanzierten und geleiteten südlibanesischen Armee SLA, wird Israel dort nicht dulden, auch keine regulären libanesischen. Die israelische Armee ist derzeit mit der Verstärkung der von General Antoine Lahad kommandierten SLA beschäftigt. Vor allem die Stellungen in der Gegend von Jezzin werden verstärkt, wo Zusammenstöße mit dem Gegner am wahrscheinlichsten sind. Israels regelmäßige sogenannte „Strafaktionen“ gegen die Palästinenser, meist Bombenangriffe auf palästinensische Stellungen östlich von Sidon, könnten in Zukunft auch zu einem Konflikt mit der von Syrien unterstützten regulären libanesischen Armee führen. Die Auswirkungen einer solchen Konfrontation sind schwer abzuschätzen. Die Probe aufs Exempel wird sicherlich früher oder später gemacht werden, und die Frage ist, wie Syrien darauf reagieren wird. Drei Milizionäre wurden vorgestern von israelischen Soldaten bei einer Schießerei im Südlibanon getötet. A.W.