Propaganda und Nervosität

■ Generalität des jugoslawischen Bundesheeres arbeitet mit plumpen Bedrohungsszenarien/ „Angriff durch die Nato“

Ob er echt ist, der „streng geheime“ Krisenplan des jugoslawischen Oberkommandos, der gestern in mehreren Zeitungen des Landes veröffentlicht wurde, ist nicht eindeutig auszumachen. Immer mehr spricht aber dafür, daß „Schutzwall 90“, nach dessen Strategie der Einmarsch nach Slowenien erfolgte, auch dem Weltbild der Generalität enspricht. Das Strategiepapier, gemäß dem der Einmarsch in Slowenien erfolgte, wurde bei mehreren Überläufern jugoslawischer Offiziere zu den slowenischen Territoritalstreitkräften gefunden.

Grundthese des Papiers: Jugoslawien ist von Feinden eingekreist, Ungarn, Bulgarien und Albanien haben sich „in den Dienst der Nato“ gestellt, um Gebietsansprüche an Jugoslawien durchzusetzen. Damit nicht genug: „Die Republiken Slowenien, Kroatien und Mazedonien haben verbotene Beziehungen zu einigen Nato-Staaten aufgenommen.“ Ihre neuen „rechtsgerichteten Führer“ sollen die Nato um Intervention ersucht haben, um ihre „Demokratie gegenüber den bolschewistisch- kommunistischen Regimen“ in Serbien und Montenegro zu schützen.

Nach „Schutzwall '91“ habe der jugoslawische Geheimdienst KOS herausgefunden, daß im Herbst '91 die „Blauen“, so werden die Nato- Einheiten genannt, riesige Manöver an den Grenzen Jugoslawiens geplant hätten, dabei einen Ring um den Vielvölkerstaat schließen und Grenzzwischenfälle provozieren sollten. Zwölf Tage vor dem Angriffstag „D“ fordert dann der Präsident der Vereinigten Staaten im Namen der antijugoslawischen Allianz den Rücktritt der Republiksregierungen in Serbien und Montenegro, sowie „freie“, überwachte Wahlen. Da diese von den „Bolschewisten“ zurückgewiesen werden, kommt es zum „Schlag der Nato“. Die USA befehlen das Unternehmen „Balkanfeuer“, Marschflugkörper unnd Bomber fliegen Angriffe auf zentrale Machtzentren Jugoslawiens. Wenn diese Angriffe nicht den erhofften Erfolg haben sollten, beginne am Tag danach der „Krieg“. Eine Invasion von Nordwesten, unterstützt von Marineoperationen in der Adria.

„Wer sich solche Planspiele ausdenkt, ist mit den Argumenten politischer Logik nicht mehr zu beeindrucken“, meint die slowenische Tageszeitung 'Delo‘. Die jugoslawische Bundesarmee sei, mit Ausnahme einiger weniger Generäle, die Präsident Markovic nahestünden, „ein völlig unberechenbares Element“.

Wie nervös die Armeeführung in Belgrad tatsächlich geworden ist, zeigen offizielle Verlautbarungen, die fast stündich ein anderer hoher General von sich gibt. Montag abend hieß es, das österreichische Bundesheer unterstütze an den Grenzen die „illegale“ slowenische Territorialverteidigung. Ein anderer General namens Raseta meldete sich mit einer sogenannten „Selbstkritik“ zu Wort: Man habe „den brutalen Guerillakampf der Slowenen und Kroaten unterschätzt“. Sollte das eine versteckte Ankündigung sein, man werde auch in Kroatien einfallen?

In einer anderen anderen Armeemeldung von gestern früh hieß es, wegen der „Falschmeldungen der Propagandasender“ Sloweniens und Kroatiens komme es in manchen Orten zu regelrechten Hetzjagden auf Angehörige und Familienmitglieder von Berufssoldaten. Kaum war diese Meldung um sechs Uhr früh in „Radio Jugoslawien“ verlesen worden, da fielen Bomben auf Sendeanlagen des slowenischen Rundfunks und Fernsehens. Roland Hofwiler, Kroatien