»Patienten irren mit ihren Akten durch die Stadt«

■ Poliklinikverband: Senat setzt die Einheit von Prävention, kurativer Medizin und Rehabilitation aufs Spiel

Berlin. Der Senat gräbt den Ostberliner Polikliniken das Wasser ab. Die Folgen, so Ingeborg Krell, stellvertretende Vorsitzende des Berliner »Verbandes der Polikliniken und Ambulatorien«, gestern vor der Presse, zeigten sich schon jetzt: Allein die medizinischen Beratungsangebote, bislang in Ost-Berlin orginäre Aufgabe der Polikliniken, dünnten mehr und mehr aus. Die ambulante medizinische Versorgung sei »nur mäßig stabil«, die Schwangerenberatung in vielen Bezirken bereits zusammengebrochen. »Patienten irren mit ihren Akten durch die Stadt und wissen nicht, wohin sie sich wenden sollen.« Nur ein Gesetz analog des Landeskrankenhausgesetzes könne diese Situation entschärfen und den Erhalt der, teilweise durchaus effizient arbeitenden, Polikliniken sichern.

Das neue Konzept der Gesundheitsverwaltung habe jedoch genau den gegenteiligen Effekt. Geplant sei, zwei unterschiedliche Betreibergesellschaften zu installieren, in denen jeweils der Senat die Mehrheit im Aufsichtsrat hätte. Zum einen sollen die sieben Polikliniken in den Ostberliner Neubaugebieten unter der Trägerschaft des Senats und dem Dach einer GmbH übergangsweise bestehen bleiben. Grund: Da in diesen Gebieten Gewerberäume knapp sind, können sich Ärzte dort nicht so schnell niederlassen.

Zum anderen will der Senat gemeinsam mit dem Arbeiter-Samariter-Bund und dem Union- Hilfswerk vierzehn weitere Polikliniken und Ambulatorien in kassenärztliche Gruppenpraxen oder Ärztehäuser umwandeln. In beiden Modellen, das ist laut Krell »der Knackpunkt«, werden die Polikliniken in eine kassenärztliche Versorgungseinrichtung überführt. »Und damit wäre die bislang praktizierte Einheit von Prävention, kurativer Medizin und Rehabilitation verloren.« Da der Senat dann auch noch im Aufsichtsrat der beiden GmbHs die Mehrheit hätte, könne er »tun und lassen, was er will, ohne die Kommunen oder die Ärzte befragen zu müssen.« Schon jetzt beuge sich die Gesundheitsverwaltung der Haltung der Kassenärztlichen Vereinigung, die in der Niederlasssung der Ärzte die einzig tolerierbare Form der ambulanten Versorgung sehe.

Laut Einigungsvertrag sind Polikliniken und Ambulatorien bis zum Jahresende 1995 zur ambulanten medizinischen Versorgung zugelassen. Wenn sie wirtschaftlich arbeiten, können sie aber durchaus darüber hinaus bestehen bleiben. Doch anstatt diese ambulanten Einrichtungen, die von vielen Berlinern sehr geschätzt werden, hinsichtlich ihrer Effizienz zu fördern, so der Vorwurf Krells, arbeite der Senat auf deren Auflösung hin. maz