USA schwenken um

■ Bush-Administration unterstützt friedliche Abspaltung

Washington (taz) — Der Ausbruch von Kämpfen in Jugoslawien hat zu einem raschen Wandel in der amerikanischen Außenpolitik geführt. In einem Brief an den jugoslawischen Präsidenten Stipe Mesic warnte George Bush am Dienstag vor dem Einsatz von Gewalt gegen die abtrünnigen Republiken Slowenien und Kroatien und forderte Belgrad dazu auf, der jugowslawischen Bevölkerung die friedliche Entscheidung über ihre Zukunft zu überlassen. Von der Aufrechterhaltung der „territorialen Integrität“ Jugoslawiens, dem erklärten Ziel bisheriger US- Politik, war in dem am Dienstag abgeschickten Brief nicht mehr die Rede.

Auch in einer längeren Erklärung des US-Außenministeriums war nur noch von der Vermeidung eines Blutbades und von Verhandlungslösungen die Rede, die alle ethnischen Gruppen des auseinanderfallenden Balkanstaates zufriedenstelle. Auf die Frage, ob die USA gegegebenfalls auch die Unabhängigkeit Kroatiens und Sloweniens anerkennen werde, antwortete die Sprecherin des State Departments Margaret Tutwiler: „Wir unterstützen, was auch immer die jugoslawischen Bürger für sich selbst entscheiden“.

Wie die Europäer, so hatte auch die Bush-Administration vor allem deswegen so lange auf der Einheit Jugoslawiens bestanden, weil man befürchtete, mit einer Unterstützung Sloweniens und Kroatiens auch die abspaltungswilligen Republiken im Baltikum und anderen Teilen der Sowjetunion zur Sezession zu ermutigen. Deswegen waren es jetzt vor allem die meist rechten Kritiker der US-Haltung gegenüber Gorbatschow, die Präsident Bushs Jugoslawien-Politik angriffen.

Beamte des Außenministeriums betonten, die gewandelte Einstellung sei unabhängig von der deutschen Haltung zustandegekommen. Vor allem Außenminister Genscher hatte — im Gegensatz zu einigen anderen europäischen Staaten — in den letzten Tagen ebenfalls seine Zustimmung zu einer mit friedlichen Mitteln durchgeführten Sezession Sloweniens und Kroatiens angedeutet. Rolf Paasch