Maggie's Dream

■ All you need is einen Traum!

»I had a dream« verkündete Dr. Martin Luther King. Für den starb er im April 1968, ein Jahr, nachdem die weißen Hippies in aller Herren Länder zum ersten Mal den Sommer der Liebe feierten. Die Liebe hatte sich der Baptist und Gospel-Fan Luther King allerdings ganz anders vorgestellt.

Die Liebe war in der Soul-Musik von Sam Cooke bis James Brown ein Vermittelungsproblem gewesen. Wie sollte man sich unter dem von Gott monogam gestalteten Gebot denn frei im Schweiße seines Angesichts austoben dürfen? Da hieß es denn auch sehr oft verschmitzt in den Texten etwa so: »The eagle flys on friday, saturday I got out to church and pray« (»Stormy Monday«). Das ist sehr listig. Irgendwo zwischen Engelschor und Freudenhaus haben sich dem Motto getreu viele schwarze Musiker angesiedelt. Für Martin Luther King hat selbst James Brown für eine Weile seine »chicken« vergessen stattdessen »Get up, get into it, get involved« gesungen und von den Knästen in Alabama und Georgia berichtet. Also war die wirkliche Liebe doch eng an die Befreiung aus jeglicher Knechtschaft geknüpft.

Die Neunziger Jahre wollen das wiederholen, was in den Sechzigern Ideale waren. »Let love rule« singt Lenny Kravitz ungeniert und schreibt für Madonna hübsche Hits, zu denen sie ihre erotischen Phantasien in Lack und Leder ausleben kann. Und eines verkünden die neuen Stars am Funkpopfirmament, Maggie's Dream, über alle Zeilen ihres monumentalen Erstlings hinweg »Liebe deinen Nächsten« — wie von selbst scheint es zu funktionieren. Unaufdringlich schleichen sich ihre Songs durch die Gehörgänge, machen Pause an einer von LSD ausgeschalteten Synapse, nur ganz kurz klingt es halluzinös und wirrköpfig psychedelisch oszillierend, aber dann kommt's: uuuaaahhh, nyaarggnyaargg, Luft wird in die Stirnhöhle gepumpt, um einen letzten filigranen Gospelseufzer über mehrere Taktlängen auszuheulen. Es wird immer schwärzer, heißer, schwüler, selbst Fremde werden zu zärtlichen Groovegespielen. Jaja, Sly Stone war der wahre Glittergott, Afros hängen noch heute wie ein Heiligenschein der Natur an der Erinnerung, die der Hymne des Menschen-kommen-zusammen-aber-viele anhängt: Jetzt alle: »It's a family affair« und gemeinsam soll die Menschheit leben, lieben oder zugrundegehen. Ja nun, es hat nicht geklappt. Maggie's Dream versuchen es nochmal. Mit einem Wassergeburten-leben-länger-Gospel, den sie ganz einfach »Between Fear & Desire« nennen. Die Angst liegt als Sorge auf dem Gesicht, doch das Leben geht weiter, was auch sonst. Wer sich dazu bekennt, hat zumindest eine Sorge weniger. Und einen wunderbaren Song mehr. Maggie's Dream, das ist Musik zum — ähem — Händchenhalten, aufgeregt sich dabei anblicken, als hätte man gerade das Äußerste gewagt (aber schön war es doch). Am liebsten möchte man gemeinsam mit der anderen Postkarten an alle Welt verschicken, von ganz weit weg, dort wo man in seiner Liebe angekommen ist. Manche Paare fahren tatsächlich Hals über Kopf verliebt in den Urlaub. Manchmal kommen sie sogar gemeinsam zurück. Ansonsten wird das Leben eben weitergehen, angetrieben von viel Liebe, von einem unermüdlichen Herzenschlagenlassen, von überdauernd schöner Musik im Kopf und im Körper. Wer sich verliebt fühlt, sollte ins Loft gehen, sein Kämpferherz zum Weitermachen auftanken. Harald Fricke

Um 20.30 Uhr im Loft