Im Schminkkasten eines Teenagers

■ Acht Porträts von Imi Knoebel in der Galerie Fahnemann

Zwei Stränge laufen in den Arbeiten von Imi Knoebel zusammen, zwei Geschichten. Zum einen die der Schminke, ihr Werdegang über Camouflage und Totemismus, und zum anderen die der Kunst, die vom Altarbild über das Bilderverbot hinaus als symbolischer Ausdruck zu einer Vorstellung von Wahrheit aufstieg.

Weit in der Zeit zurückgreifend erstellt Knoebel fünfgliedrige Bildtafeln, die, von der Büste der Nofretete ausgehend, als Fragen darüber fungieren, von woher ein Bild überhaupt entsteht. Daß es für Knoebel nicht aus der nachzuahmenden Natur resultiert, belegt sein Verhältnis zur Malerei. Indem er schon seit den sechziger Jahren an einem eigenständigen und abstrakten Formeninventar gearbeitet hat, bestätigt er im Großteil seiner Arbeiten die Lehre Malewitschs, wonach ein Kunstwerk in erster Linie dem Geist nachzuschöpfen wäre, um so den Geist als übergeordnete Idee auf die Natur anzuwenden.

Darüber hinaus beschäftigt Knoebel jedoch seit Beginn der achtziger Jahre das rätselhafte Verhältnis zwischen Denken und Materie, wie es sich allein aus der Wahrnehmung entwickelt. Die »Cherubim«-Installation auf der letzten Documenta war diesem Phänomen in der eigentümlich knoebelschen Weise auf der Spur. Eine in den Ausstellungsraum gezogene Trennwand ließ durch mehrere quadratische Durchbrüche das Licht so einfallen, das die Brüche wie Lichtbilder erschienen. Der Engel wacht vor dem Tor, indem er dessen Bild verstellt.

Die Serie von Frauenportraits in der Galerie Fahnemann, die der Faszination Knoebels an der Büste der ägyptischen Königin gefolgt sind, erzeugen auf der Grundlage von fünf Formen, die zu einem Rechteck zusammengesetzt sind, einen ähnlichen Eindruck wie das Installationsorakel auf der Documenta. Doch an die Stelle der gezielt eingesetzten Bildleere tritt eine Fülle von Farben, die den starren geometrischen Formen ein äußerst lebendiges Naturell verleihen. In verschiedenen Abtönungen dominieren rosa, blau und orange. Als hätte Knoebel in den Schminkkasten eines Teenagers gegriffen, der sich mit erlesenen Eyelinern, Lidschatten und Lippenstiften eingedeckt hat. Die Tafeln erscheinen durchaus nach modischen Gesichtspunkten. Gerade der Bezug zur Nofretete öffnet jedoch das dekorative Farbspiel in die Richtung von Abstraktion und gedanklicher Effizienz. Hinter den Farben verbirgt sich immer wieder ein und diesselbe Form, die strikt am goldenen Schnitt entlang der Wahrnehmung die Aufmerksamkeit abfordert, es mit Kunst und nicht mit der Abbildung von Gesichtern zu tun zu haben. Auch ein Gesicht ist für Knoebel in erster Linie die Projektionsfläche für Ideen.

Unterhalb des Farbauftrages zeigt sich die strukturale Kraft abstrakter Malerei ungeschminkt. Vergleicht man die Arbeiten mit der sie bedingenden Büste, ist diese Struktur auch im Gesicht der Königin enthalten. Für Hegel lagen in deren Konterfei wie auch in der Gestalt der Sphinx die Anfänge der Kunst im Rätsel. Dieses Rätsel bleibt auch nach 2500 Jahren bestehen. Harald Fricke

bis 3.8.; Fasanenstr. 61, 1-15, Di-Fr 11-18.30, Sa 11-14 Uhr