Zeichen und Zeichen von Zeichen und...

■ James Croak, Hanns & Frederike Rosenblad und Dagmar Demming in der Galerie von der Tann

Dahingeschiedenen Pharaonen wurde einst aus dem abgeschabten Körperschmutz ihres ganzen Lebens ein Ziegelchen gebacken, auf welches sie ihr altägyptisches Köpfchen betteten, um besser in die nächste Ewigkeit schlummern zu können. Der New Yorker James Croak zeigt mit seinen »Dirt Babies« das zweite Gesicht des Drecks, dessen sich die Pharaonen mit ihrer Mumifizierung entleibten, indem sie sich mit Blumen füllen ließen. Croak sieht das anders und stopft seine Kunststoffkinderchen mit Straßenschmutz voll, sozusagen als Verneinung der Präparation.

Schnuller, Luftballons, Kuscheltiere, Kuscheldecke, Würfelzucker, Gitterbettchen, Kinderkoffer.

An Zeichen mangelt es der Ausstellung »Zimmer mit Aussicht I« in der Dahlemer Galerie von der Tann nicht unbedingt, es mangelt ihr auch nicht an Einfallsreichtum, möglichst kindisch sein zu wollen, was ja heutzutage das Vorrecht von manchem künstlerischen Aktionismus zu sein scheint. Nehmen wir nur die Schnuller, deren Arrangement an der Zimmerdecke der Galerie (zwischen Nenas neundundneunzig Luftballons) man gewisse subtile Hintergründigkeit nicht absprechen kann. Unterstützt wird diese Komposition von Hanns und Frederike Rosenblad aus London, durch eine sorgsam drapierte Schmusedecke mit zwei Plüschtieren obenauf. Ohne Zweifel liegt die Faszination der künstlerischen Aufarbeitung derlei Zeichen einer imaginären Kindheit in der luziden Zufälligkeit der Auswahl dieser Zeichen begründet; immerhin hätten es ja auch Pampers an der Zimmerdecke oder ein Schüsselschen Möhrenbrei am Fenster sein können.

Doch derlei Marginalien, und mit ihnen das zweitrangige Problem der Aussage, sollten unbeobachtet bleiben, verblassen ehedem am grellen Sinn des Lebens, um es mal poetisch zu sagen. Die Idee des »Zimmers mit Aussicht« ist so spekulativ, wie die Erinnerung an die Kindheit in uns; ebenso spekulativ ist auch der mystisch verbrämte didaktische Ansatz in der dritten Abteilung dieser Exposition, die von der Berlinerin Dagmar Demming und ihrer Frage »Wo sind die roten Schuhe?« gestaltet wurde.

Simple Zeichenarrangements müssen nicht ohne Reiz sein, allerdings dies nur, wenn sie sich als solches (simples) zu erkennen geben. Da hat ein Schnuller an der Decke denn doch mehr Lyrik in seinem Plastenuckel, als ein bläulich angestrahltes Gitterbettchen, welches mit Bettfedern umwölkt der Intention der Künstlerin zufolge sowohl Geborgenheit als auch Gefangensein darstellt. Eine in die Wand gebohrte Batterie von Eßlöffeln, die mit Würfelzucker garniert wurde, unterstreicht die tiefe Moralität, mit der die Kindheit hier als Frage behandelt wird. Und diese Frage verbindet die drei Ausstellungsteile. Sie schlägt den Bogen vom Schnuller zum Bett über das Kunststoffbaby an der Wand, das in seinem grotesken Realismus an ein Stück aus der Präparatensammlung erinnert.

Da sich James Croak mit seinen Schmutzkindchen herzlich wenig Zwang antut, vermag er mit dem Ergebnis seiner Fragestellung wenigstens noch Ekel zu erzeugen, was ja immerhin besser ist als gar nichts. Sein kleines, an die Wand gespießtes, anthrazitfarbenes Paradigma vom schreienden Kinderleid kann kaum noch mißverstanden werden, weder so noch so. Doch das ist nur die Hülle, der Stoff (oder besser: Kunststoff), die den Betrachter fünf mal von den weißen Wände der Galerie von der Tann anplärrt. Das ist das Sichtbare. Im Inneren aber, da findet sich der Dreck von New Yorks Streets und Avenues, von seinen Boulevards und Squares. Endgelagert im Kind, dem unschuldigen Ding.

Keine Frage bleibt, sucht man die Idee, die die vier KünstlerInnen zusammengeführt hat. Es ist eine Idee, die sich in Zeichen manifestiert, genauer, in den Zeichen einer Idee. So bleiben — fast scholastisch — nur Zeichen von Zeichen, die sich selbst dem phantasielosesten Betrachter neuordnen; die Idee verschwindet hinter den Zeichen und deren aufdringlicher Semiologie, die nichts weiter sagen kann, als »Schnuller« und »Dreckbaby«. Äh. Sollte einem aufmerksamen Besucher es wider Erwarten dennoch gelungen sein, die Idee gefunden zu haben, so wird er spätestens auf der Suche nach den roten Schuhen schmählich auf dem Parkett verenden. Die hat Dagmar Demming nämlich gut versteckt. Volker Handloik

Bis 26.7.; Liebensteinstr. 4, 1-33, Di-Fr 15-19 Uhr und nach Vereinbarung