»Wir subventionieren ein Festival für die Stadt«

■ Das letzte Jazz-Festival vor dem Sommerloch: »Jazz in July« begann gestern im Quasimodo

Saxofonist Herb Geller, lange Jahre Musiker beim SFB, zählte zu den bekanntesten Vertretern des Cool Jazz in Los Angeles und sollte eines Tages in einem »Battle between Rock and Jazz« gegen den Rhythm & Blues- Honker Big Jay McNeely antreten: »Ich war skeptisch, denn die Anhänger der einen Richtung können meist mit der anderen nicht viel anfangen.« Damit sprach er schon 1955 ein zeitloses Problem an, nämlich die Intoleranz auch unter Leuten, die Minderheiten-, Alternativ-, Subkultur machen oder als passive Zuschauer und Zuhörer konsumieren. Leuten, die meist von sich glauben, besser als das von ihnen verächtlich belächelte Establishment, als die Spießbürger und Traditionalisten zu sein.

Auf einem Tribunal wurde Ralf Schulte- Bahrenberg, Veranstalter der langjährigen Serie »Jazz in the Garden« unter dem Vorwand »kreativer Stagnation, ewiggleicher Darbietung« (tip) ausgebootet — es war mehr seine etwas konservative Kaufmannsart, die einigen Kulturbeamten nicht paßte, als das Programm — und ein neues Festival, »Jazz across the Border«, aus der Taufe gehoben, das in den letzten beiden Wochen über die Bühne der Kongreßhalle lief. Weil's was Neues war, gab es auch viel Presse und bei dieser Gelegenheit auch wieder rundum Seitenhiebe nicht nur auf Schulte-Bahrenberg, sondern gegen das JazzFest von George Gruntz und gegen die nun anstehende Reihe »Jazz in July« im Quasimodo. Da stand im Tagesspiegel: »Günther Huesmann [künstlerischer Leiter »Jazz across the Border«] will auch den Clubs vormachen, wie interessant ein Jazz-Festival sein kann, wenn es sich abseits ausgetretener Pfade tummelt«. Giorgio Carioti, Eigentümer des Quasimodo und Organisator von »Jazz in July«, lacht darüber nur freundlich: »Einige der Leute von Huesmann's Festival haben schon vor Jahren bei uns im Quasimodo gespielt. Steve Coleman, Kevin Eubanks, JoAnne Brackeen, Bobby Previte schon zweimal, Robin Eubanks erst letzten Monat«.

Solange ihm die Geldgeber keine künstlerischen Vorschriften machen, hat der Journalist Huesmann natürlich leicht reden, denn er arbeitet mit fremdem Geld (70.000 Mark von Senat plus weitere 70.000 von Haus der Kulturen der Welt, insgesamt natürlich auch nicht so wahnsinnig viel), also ohne eigenes Risiko. Er mag sein Programm ja subjektiv toll finden, wie er will, der große Publikumsrenner war es jedenfalls nicht, schätzungsweise kamen pro Abend (mit durchschnittlich drei Gruppen für 15 Mark Eintritt trotz Subvention) in die Kongreßhalle nicht viel mehr Leute, als ins Quasimodo passen würden. Hat somit das zahlende Publikum abgestimmt, was »gut« ist und was nicht? Avantgarde, Weltmusik, Exoten aus der Sowjetunion, das immer Neue, um jeden Preis andere ist offensichtlich doch nicht soooo gefragt, wie ihre eisernen Verfechter behaupten.

Wie eben Herb Geller in dem Buch »Jazz in LA« schrieb: die Anhänger des einen Geschmacks können und wollen mit dem anderen nichts oder nicht viel anfangen. »Immer dieses Feindbild: Wir machen es besser, und was die anderen bringen, ist nur Mist — das finde ich beschissen«, sagt Giorgio und schiebt gleich hinterher: »Wir bräuchten gar keinen Jazz bringen, das Quasi läuft trotzdem.«

»Jazz in July« läuft seit gestern im Quasimodo bis zum 21.Juli, das sind 16 Gruppen in 18 Tagen. »Eigentlich ist dies nur ein Konzentrat von Jazz, den das Quasi sowieso das ganze Jahr über anbietet«, erklärt Giorgio. Er könnte ohne weiteres auch in anderen Monaten, wo viel internationale Festivals sind, solche zweiwöchigen Konzertreihen zusammenstellen. »Weil das Quasi professionell arbeitet, kommen viele Musiker zu günstigen Konditionen, oft an sogenannten schlechten Wochentagen oder als Füller zwischen Festival-Wochenenden«, erklärt Giorgio. Und über die spitze Bemerkung im tip (»geprägt von US-Dominanz«) kann er sich gar nicht ärgern: »Die meisten Kartenkäufer wollen vorher wissen, was sie erwartet.«

Giorgio Carioti braucht sich für seine Programm überhaupt nicht rechtfertigen. Ein voller Keller mit 350 Leuten würde allein schon als Qualitätssiegel reichen. Im Gegenteil: Was wäre für ein Gejammer, wenn all diese Gruppen nicht kämen, im Juli nicht und auch in den anderen elf Monaten nicht? Und ohne Subventionen kann ein Club mit limitierten Kapazitäten musikalisch nicht allzuviel experimentieren oder Gruppen aus Übersse exklusiv einfliegen lassen. Aber was nützt ein Club mit Minderheitenprogramm ohne Publikum, wenn er dann pleite geht? Das Quasimodo ist in Deutschland ein der ältesten und beständigsten Clubs, es gibt kaum einen, der über 15 Jahre in gleicher Regie geführt wird. Also stimtm die Kombination aus ausgewogenem Programm und Verhandlungsgeschick — Giogio ist zu gleichen Teilen studierter Betriebswirt und Jazzfan.

»Jazz in July« entstand 1980 als »Summer Jazz Festival«. Klaus Achterberg stellte — ohne Subventionen — ein Zweiwochenprogramm zusammen, das sich eher zufällig aus den Festivalplanungen ergab. Zwei Jahre später gelang eine zweite Serie, von 1984 an hieß es »Jazz in July«, die Fans pilgerten ins Quartier und in die Passionskirche. 1987 stürzte Achterberg trotz attraktiven Angebots mit Ray Barretto, Gato Barbieri, der Mingus Dynasty, Ornette Coleman und einem Dutzend anderer wegen »Überbestückung an kulturellem Angebot anläßlich der 758-Jahre-Feier« in den finanziellen Abgrund. Den Namen »Jazz in July« durfte das Quasimodo übernehmen, das bei dieser Serie aus Plus-minus-Null kommt — und das nur mit der eigenen Gastronomie.

Subventionen hat das Quasimodo für »Jazz in July« beim Kultursenator noch nie beantragt: »Das war bisher nicht nötig, wir sind auch so über die Runden gekommen«. Giorgio will als privater Veranstalter ohne Steuergelder auskommen, bei der Programmgestaltung unabhängig bleiben. Und wenn das Quasi-Festival schon mit den vom Senat unterstützten Veranstaltungen JazzFest, »Jazz in the Garden« oder »Jazz across the Border« verglichen wird: »Eigentlich«, so Giorgio Carioti, »subventionieren wir ein Jazzfestival für die Stadt und für den Fremdenverkehr.«

Das Programm an diesem Wochenende: heute, Freitag, der Saxophonist Moody mit »Moody's Mood For Love«. Morgen spielt Charlie Byrd brasilianische Sambas vermischt mit Jazz und vielleicht ein bißchen Klassik auf seiner akustischen Gitarre. Am Sonntag kommt Multiinstrumentalist Eddie Harris mit elektrisch verstärktem Saxophon. G.Hessig

Jeden Tag um 22 Uhr, bis zum 21 Juli. Achtet auf Tagestips!