Maskottchen, erhebe dich!

■ Bremens erste Design-Triennale gestaltet sich wirtschaftsfördernd selbst

Daß ein Ereignis stattgefunden habe, kann jederzeit bewiesen werden: mittels Katalog (bunt, dick, deutschenglisch! Worpsweder Verlag, 48 Mark), mittels Pressemappe, mehrerer Redemanuskripte, einer Talkshow vor Zeugen, zahlloser Reisekostenabrechnungen sowie Zechquittungen. Und die ganze Untere Rathaushalle ist voll. Bloß wovon.

hierhin bitte die

hohe Steckfigur

K.G.G. Kiesers erwählter Entwurf

Bremen, auf dem Weg zur Designstadt, wird in drei Jahren eine diesbezügliche Messe machen. Die Wartezeit, auf daß sie gewichtiger vergehe, hat man Triennale genannt. Und am Mittwoch eröffnet. Bloß womit. Die Triennale (Künstlername: Innoventa) hat nämlich, in Ermangelung anderer Gelegenheit des Innovierens, erst einmal ihr eigenes Logo designen lassen. Eine wunderbar introvertierte Lösung.

Zwölf Entwürfe, hervorgerufen von einem nachweislich „internationalen“ Wettbewerb, hängen, stehen, liegen jetzt in der großen rustikalen Wandelhalle (Kosten: 100.000 Mark, ohne Katalog). Klötzchen, Grafiken, aufgeschnittene Blechrohre. Lauter Stadtmusikanten-Motive, wie bestellt. (Und alle dürfen von der heimischen Wirtschaft, so diese will, erworben werden).

Damit es nach mehr als nix aussieht, hat der hochbezahlte Schaufenstergestalter Paul Dyson (u.a. Harrod's!) reihenweise grünen Stoff unter die Decke gehängt, was sichtlich Wald bedeutet. Umringt sind die paar verlorenen Designobjekte-Sockel im Saale von großen bunten Märchentafeln. Die malerische Tat haben, wenigstens umsonst, willige KunststudentInnen vollbracht.

Das unwiderstehlichste Sympathiebild für die Innoventa hat Karl Georg Günther Kieser, Design-Professor in Wuppertal, ausgetüftelt. Ein schönes buntes Stadtmusikantentürmchen aus Geometrie. Steckbar, zerlegbar, drehbar: der freundlichste Playmobil-Konstruktivismus. Eine Jury hat das Motiv ausgewählt. Bald wird es, gegen Lizenzgebühr, als Souvenir und Maskott

hierhin bitte das Bild

„coq.cat.cane.esel.“

Die wortmagischen Stadtmusikanten von Eichinger/Knechtl

chen, ferner als Logo auf Briefköpfen, T-Shirts, Wimpeln, Aufklebern, Plakaten, kurz: allüberall sympathetisch tätig sein. Vermutlich ist das schon die halbe Triennale.

Wenn es so weitergeht, wie mittwochs eröffnet wurde, kommt aber gar nichts mehr nach. Eingeseifte Jubelreden vor geladener Szeneria, und kaum was zu zeigen — so präsentiert sich, mit der mühseligen Simulation von Kultuuur, deren kontoführendes Stiefgeschwister, die Wirtschaftsförderung. Werden wegen sowas wirklich die Warenveredler — komm, Gevatter - vierstöckig nach Bremen ziehen?

Falls nicht, hat man wenigstens viel Mühe nachgewiesen. Wenn man die Schau jetzt nur tüchtig auspreßt, dann wird, wie geplant, der Name Bremen in die internat. Design-Magazine tropfen. Englische und italienische Fachpresse ist tatsächlich schon angereist, und Herr Rahe, Leiter des ausrichtenden Bremer Design-Zentrums, hat mit eigenen Augen „einen Manager aus Tirol“ gesehen. Bloß die heimische Wirtschaft, eher knickrig mit Spesen und von Sommerlöchern nicht bedroht, hält sich noch zurück und prüft, ob es sich nicht etwa bloß um die Simulation von Wirtschaftsförderung handele.

Auch das letzte Mittel, Null- Ereignisse zu multiplizieren, fehlte nicht: die Talkshow. Ulla Hamann vom hiesigen Sender war authentisch sie selber und heuchelte keinerlei Interesse. Dennoch ging es, wo ExpertInnen schon da waren, ums Thema Souvenir, und wie man dieses, siehe Ausstellung, designerisch veredeln könne bzw. solle. Also aufgepaßt, du bremische Stadtmusikantenindustrie, die du zwei bis drei Millönchen pro Jahr umsetzest mit deinen Erzeugnissen, prüfe du, ob du deinem volkerzieherischen Auftrag nicht etwas gebildeter nachkommen möchtest!

Frau Dörfler von der Böttcherstraße GmbH hat hingegen selber erlebt, daß die Leute, sofern sie die Wahl kriegen, zuverlässig das Scheußliche nehmen und das Ge

hierhin bitte das Foto

mit aufgeschnittenem

Rohr in der Mitte

(bitte ganz nach oben

direkt unter

den Seitenkopf

kleben!!!!!)

Design im textilen MärchenwaldFoto: Tristan Vankann

hobene liegen lassen. Leider fiel keinem ein, daß es vielleicht das Souvenir geradezu ausmacht, knallhart billig nach mehr bloß auszusehen.

Zum Glück kann man Souvenirs beliebig oft verschenken,

weil sie nach kurzer Zeit stillschweigend verschwinden. Die Frage ist, ob es unsere teure Wirtschaft mit ihren zwölf neuen Maskottchen ähnlich hält. Manfred Dworschak

Untere Rathaushalle, bis 22.7.