Daimler in der Familienpause

■ Frauenprojekt im Bremer Mercedes-Werk / Betriebswirtschaftlich erwünscht

Das Bremer Werk von Mercedes- Benz ist ein Männerprojekt. Diese plakative Feststellung läßt sich leicht durch Zahlen belegen: Von den 16.000 Beschäftigten im Bremer Werk sind sechs Prozent weiblichen, dafür aber 96 Prozent männlichen Geschlechts. Das krasse Unverhältnis ist seit zwei Jahren auch der Werksleitung ein Dorn im Auge. Zeichnet sich doch für das nächste Jahrtausend ein Arbeitskräftemangel ab, und gegen den wissen Personalplaner keinen anderen Ausweg, als ihn mit einem gezielten Rückgriff auf die weiblichen Reservearmee zu beheben. Aus dem gemeinsamen Interesse von Werksleitung und aufstrebender weiblicher Benz- Minderheit entstand im Mai 1990 ein „Frauenprojekt“ im Bremer Werk, genannt „Frau und Beruf“. Die beiden Leiterinnen dieses Projektes, die Betriebswirtin Beate Behle und die Diplom-Pädagogin Ursula Drews berichteten am Mittwoch öffentlich über ihre Arbeit. Denn der Parlamentsausschuß „Förderung der Gleichberechtigung der Frau im Lande Bremen“ hatte zu seiner ersten Anhörung geladen. Thema: „Frauenfördernde Maßnahmen in der privaten Wirtschaft“.

Der Konzernvorstand bei Daimler hatte bereits 1989 für die „Betriebsvereinbarung Familie und Beruf“ gesorgt. Sie sieht vor, daß Daimler-Beschäftigteeine „Familienpause“ von bis zu zehn Jahren einlegen können und bei der Rückkehr in den Betrieb Anrecht auf einen Arbeitsplatz derselben Gehaltsstufe haben. Nachteil der Vereinbarung: Wer die „Familienpause“ in Anspruch nimmt, hat kein Anrecht auf Arbeitslosengeld, ist folglich angewiesen auf eine ErnährerIn. Teilzeitarbeitsplätze im Werk sind darüberhinaus rar. Die Folge: Im Bremer Werk machten nur 16 Frauen und ein Mann von dem Angebot Gebrauch.

Das „Frauenprojekt“ in Bremen soll dafür sorgen, daß die „Familienpause“ mehr FreundInnen findet. Die beiden Projektleiterinnen erläuterten, daß sie noch mehr vorhaben: Sie wollten nicht nur „gezielte Informationsgespräche mit werdenden Eltern führen“, sondern auch „die Einstellungspraxis überprüfen und Führungspositionen gezielt quotieren“. Um möglichst effektiv zu sein, hätten sie drei Gremien eingerichtet: Erstens mehrere Arbeitsgruppen, die mindestens zweimal im Monat ganztätig tagten zu Themen wie: Perspektiven von Sekretärinnen und Schichtarbeiterinnen, Kinderbetreuung, Umdenken im traditionellen Rollenverständnis... Rund hundert Mercedes-Frauen würden sich an den Gesprächen beteiligen. Zweites Gremium sei die Projektgruppe, in ihr seien 13 repräsentative Frauen aus dem Werk vertreten: Von der Auszubildenden bis zur weiblichen Führungskraft. Das dritte Gremium solle die Entscheidungen treffen: Die „Steuergruppe“. In diesem wichtigsten Gremium haben Männer aus der Führungsetage das Mercedes-Steuer in der Hand. Die sieben Benz-Männer aus der Steuergruppe haben sich jedoch verpflichtet, alle die Maßnahmen umzusetzen, von denen sie sich haben überzeugen lassen. Ergebnisse sollen 1994 vorliegen. B.D.