Lummer: Ich durfte leider nicht ans Gewehr

■ Reinickendorfer Jugendzeitschrift 'ätzettera‘ befragte Polit-Promis zur wieder eingeführten Wehrpflicht

Berlin. 'ätzettera‘, das Reinickendorfer Jugendmagazin, hat bei Berlins PolitikerInnen nachgefragt, was sie von der Wehrpflicht halten, der nun endlich auch Wehrflüchtlinge und Jungberliner nachkommen dürfen müssen. »Was meinen Sie zu Wiedereinführung der Wehrpflicht in Berlin?« und »Wann und wo haben sie Ihre Wehrpflicht oder ähnliches abgeleistet?« lauteten die schriftlichen Fragen des Magazins.

Lediglich die VertreterInnen der PDS und der SPD äußern — allerdings auch nur zum Teil — offen ihre Enttäuschung über die Wiedereinführung. Die CDU-Leute verweisen meist auf den nach der Vereinigung erloschenen Sonderstatus, der Berlin wieder »zu einer normalen — wenn auch immer noch außergewöhnlichen — Stadt« mache (Regierender Diepgen). Der CDU-Bürgermeister, der als Berliner nie zum Bund mußte, meint, daß »die Gewaltanwendung zwischen Völkern zeigt, daß ein Land verteidigungsbereit sein muß«. Ein Berufsheer lehnt er allerdings ab. Von wegen »Staat im Staate«. CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky ist für die Einführung der Wehrpflicht, »weil sie einen Dienst an der Gemeinschaft darstellt«. Thomas Krüger, SPD-Jugendsenator meint lapidar: »Traurig, aber wahr.« Die »harte« Erfahrung des Wehrdienstes habe er als »Panzerfaustschütze« gemacht. Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD) findet es ebenfalls »schade«, daß nun auch Berliner antreten müssen. Meisner, der als »Kriegswaise« nie zum Dienst eingezogen wurde, gibt zu, daß er heutzutage verweigern würde. Kollege Kultursenator Ulrich Roloff- Momin, Drückeberger mit Berlin-Wohnsitz, bleibt sachlich: »Eine Sonderrolle Berlins wäre gegenüber den anderen Wehrpflichtigen nicht zu rechtfertigen.«

»Niemals die Wehrpflicht ableisten« will die PDS-Fraktionschefin Gesine Lötzsch: »Ich bin für ein entmilitarisiertes Berlin.« Auch ihr Vize Peter Zotl will die Wehrpflicht und alle »Ersatzzwangsdienste« abschaffen. Für eine Berufsarmee ist die FDP-Fraktionsvorsitzende Carola von Braun. Sie spricht sich allerdings auch dezidiert gegen die Einführung eines »sozialen Pflichtjahres« für Frauen aus.

Heinrich Lummer (CDU), Berliner Bundestagsabgeordneter, bedauert, daß er als »Weißer Jahrgang 1932« nie ans Gewehr durfte: »Es gab keine Möglichkeit.« Den jungen Berlinern gibt er mit auf den Weg: »Was sein muß, muß sein.« Unsere Parlamentspräsidentin Hanna-Renate Laurien (CDU) macht's ganz kurz: »1.: Berlin ist vollgültiger Teil der Bundesrepublik Deutschland. [...] 2.: Ich bin eine Frau« ... zweifellos eine vollgültig-vollblütige, wie wir seit ihrem Marsch für »Desert Storm« wissen. kotte

'ätzettera‘, Reinickendorfer Jugendkulturbeutel, c/o Atrium, Senftenberger Ring 97, 1000 Berlin 26. Redaktionssitzung ist montags 17 Uhr.