Den Krankenschein nur im Notfall benutzen

■ Schwangere sowjetische Jüdin in den Mühlen der Bürokratie/ Sozialamt um exklusive Behandlung bemüht

Berlin. Svetlana Hamburg erwartet ein Kind — ein Schicksal, das sie mit vielen Frauen teilt. Auch die Tatsache, daß der Schwangeren möglicherweise eine komplizierte Entbindung droht, weil der Fötus im Mutterleib eine etwas unkonventionelle Haltung eingenommen hat, ist keine Seltenheit. Regelmäßige ärztliche Kontrolluntersuchungen können in der Regel Schlimmeres verhüten und dazu beitragen, daß das Kind, wie berechnet, im August gesund zur Welt kommen wird.

Doch genau dabei werden Svetlana Hamburg dicke Steine in den Weg gelegt. Denn auf ihre Sozialversicherung kann sie sich nicht berufen. Svetlana ist eine der knapp 300 sowjetischen Juden und Jüdinnen, die Anfang des Jahres wegen des Golfkrieges ein zweites Mal, diesmal aus Israel, fliehen mußten.

Hier lebt sie zusammen mit ihrem Mann Alexander von der Sozialhilfe, die ihnen vom Sozialamt Wedding allerdings nicht vollständig ausgezahlt wird. Begründung des zuständigen Weddinger Sachbearbeiters: Dieser Personenkreis bliebe nur vorübergehend hier, denn eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis sei bislang nicht gewährleistet. Deshalb müsse auch nicht der volle Sozialhilfesatz gezahlt werden. Mit der gleichen Begründung erhält die im achten Monat Schwangere auch immer nur für die Dauer von längstens vierzehn Tagen einen Krankenschein vom Sozialamt — zuletzt mit dem handschriftlichen Zusatz: „Nur für Notfallbehandlung“.

Damit hat der Wedding wieder einmal bewiesen, wie exklusiv er die in diesem Bezirk lebenden 46 sowjetischen Juden behandelt. Vor wenigen Monaten sollten zwei von ihnen sogar überhaupt keinen Krankenschein erhalten. Auch ist der Wedding der einzige Bezirk, der nicht den vollen Sozialhilfesatz gewährt.

Doch für den leitenden Fachbeamten Olaf Sauer ist das Vorgehen der Behörde aufgrund der fehlenden dauerhaften Aufenthaltserlaubnis durchaus rechtens. Und die Ausgabe des Krankenscheins beziehungsweise dessen Gültigkeitsdauer sei nun mal an die vierzehntägige Zahlungsweise der Sozialhilfe gebunden. Den Zusatz „Nur für Notfallbehandlung“ wolle man jedoch nicht mehr draufsetzen... maz