Holzmann gedeiht auf östlichem Subventionsboden

Die Intervention Möllemanns ist ein Lehrstück moderner Lobbyarbeit/ Auftragsvolumen des größten deutschen Baukonzerns 1991 so groß wie nie  ■ Von Caroline Homrighausen

Frankfurt (taz/dpa) — Die Vorstellung der Bilanz für das Jahr 1990 dürfte für Hermann Becker, Chef des Baukonzerns Philipp Holzmann, einer der schönsten Tage seines Berufslebens gewesen sein. Das Unternehmen konnte die Bauleistung im vergangenen Jahr um 18 Prozent auf 9,3 Milliarden Mark steigern. Davon entfielen 4,9 Milliarden auf das Inland.

Irak-Geschäft schadet nicht

Der Konzerngewinn lag allerdings nur bei 17 Millionen Mark, nach 149 Millionen Mark 1989. Der Grund für die leichte Eintrübung der Bilanz: In den neuen Bundesländern hätten bisher „administrative Hindernisse und fehlende Planung eine schnelle Aufwärtsentwicklung verhindert“, sagte Becker am Mittwoch nachmittag in Frankfurt.

Auftragsbücher sind so prall gefüllt wie nie zuvor in der Geschichte des Unternehmens, das 1849 von einem Johann Philipp Holzmann als Baugeschäft gegründet worden war. Selbst das Irak-Geschäft, das den nächstgrößeren heimischen Konkurrenten Strabag zeitweilig höchst negativ in die Schlagzeilen rückte, konnte den Holzmännern nichts anhaben: Ihr letztes Projekt war bereits 1987 fertig geworden. Die noch offenen Rechnungen zahlt die bundeseigene Hermesversicherung, und den geringen, nicht durch Hermes gesicherten Eigenanteil konnte das Unternehmen locker abschreiben. Man habe „bilanziell vorgesorgt“, formulierte der Vorstand in einem Aktionärsbericht im März dieses Jahres.

Tochterfirmen und Beteiligungen an Unternehmen in den USA, Frankreich, Großbritannien, Australien, der Schweiz und den Niederlanden machten den Konzern relativ unabhängig von kleineren Rückschlägen. Und solch einer war zunächst das Engagement in der Ex-DDR: Zwar gab es ganz offensichtlich den Bedarf nach Bauleistungen, doch dauerte es bis Mai 1991, bis die Kommunen — seit März ausgestattet mit dem Geld aus dem Programm Aufschwung Ost — die ersten Aufträge vergeben konnten.

Mit dem jetzt beginnenden Bauboom in Ostdeutschland wird sich für Holzmann das frühzeitige Engagement dort auszahlen. Bereits 1990 haben nach Firmenangaben Aufträge der DDR und Beteiligungen an Ostfirmen ein Volumen von 100 Millionen D-Mark erreicht. 2.000 Menschen sind bei Holzmann in Ostdeutschland beschäftigt. In diesem Jahr will Holzmann in den neuen Ländern auf ein Bauvolumen von 600 Millionen Mark kommen.

Nicht gar so einfach wie gedacht gestaltete sich für Holzmann die Acquise des öffentlichen Milliardenauftrags Wohnungsbau für heimkehrende Sowjetsoldaten in der UdSSR. Die Sowjetunion wollte das lukrative Geschäft zunächst Finnen und Türken zukommen lassen — deren Angebot sei kostengünstiger. Dafür hatten diese Firmen dann aber keinen deutschen Bundeskanzler und seinen Bundeswirtschaftsminister als Lobbyisten für das internationale Parkett aufzubieten. 1.156 der ersten 3.700 Wohnungen in der Ukraine für 208 Millionen Mark darf Holzmann bauen, nachdem Marktwirtschaftler Möllemann in Moskau auf höchster Ebene gegen die Konkurrenz interveniert hatte.

Die sowjetische Seite dürfte über dieses Lehrstück moderner Lobbyarbeit höchst irritiert gewesen sein. Hatte doch gerade das FDP-Wirtschaftsministerium im Januar darauf bestanden, daß die Aufträge für insgesamt 36.000 Wohnungen für 7,8 Milliarden Mark international ausgeschrieben werden müssen und nicht einfach so den ostdeutschen Plattenbauern zugeschanzt werden dürften. Die Plattenbauer hatten nämlich ihrerseits die alten Seilschaften in Moskau bereits erfolgreich mobilisiert.

Nach der internationalen Ausschreibung entschieden die Sowjets dann nach dem Preis — nur um von den Bonner Politikern und Lehrherren der Marktwirtschaft dafür gescholten zu werden. Die 'Prawda‘ fragte irritiert: „Sollte in dieser Sache nicht vor allem Geschäftsgeist herrschen?“ Selbstverständlich herrschte in dieser Sache Geschäftsgeist — und zwar von Anfang an der von Philipp Holzmann. Der Konzern hatte bereits im Oktober großzügig Büroräume in seiner Frankfurter Zentrale für eine „Arbeitsgemeinschaft Wohnungsbau“ (Arge Wobau) zur Verfügung gestellt. Die Arge Wobau wiederum bereitete die Ausschreibungsunterlagen im Auftrag des Wirtschaftsministeriums vor. Und schließlich ist es ja nur fair, daß diejenige Firma, die sich im Vorfeld so sehr engagiert hat, auch das größte Stück vom Auftragskuchen bekommt...

Im Osten gibt's viel zu bauen

An Aufträgen herrscht im übrigen bei Holzmann so bald kein Mangel. Der größte deutsche Baukonzern verfügt bereits über Aufträge im Wert von elf Milliarden Mark — eine Steigerung von elf Prozent seit Jahresbeginn. Und selbst wenn der Osten Deutschlands Subventionsgebiet bleibt: Den Holzmännern kann's egal sein, ob private Investoren, private Häuslebauer oder die öffentlichen Hände die dringend notwendigen Bauarbeiten bezahlen.